Ich darf nicht weinen...

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Ja, der Zusammenhang besteht tatsächlich.

Der Mensch ist nicht immer gleich gut drauf. Wie ein Wetterfrosch sitzen wir einmal oben und einmal untern auf der Leiter der Gefühle. Auf welcher Stufe man gerade sitzt, also wie man gerade drauf ist, folgt seinen eigenen Gesetzen. Nehmen wir dazu ein paar Beispiele:

Heute gibt es die Mathearbeit zurück... hoffentlich wenigstens eine drei... Es ist sogar eine ZWEI! Mann, ich bin besser, als ich dachte! Du bist an dem Tag dann einfach gut drauf, optimistischer als sonst, und sogar deine Körperhaltung wird dadurch aufrechter sein. Immer wieder einmal kommt dir der Gedanke: Ich kann etwas erreichen... Ich bin gut... ich habe eine zwei geschrieben usw. Ist an dem Tag auch noch Sport, bist du in der Sportstunde tatsächlich auch besser, wacher und fitter als sonst. Dann sitzt du stolz wie Oskar ganz oben auf der Gefühlsleiter.

Nun kommt ein anderer Tag. Morgens fast verpennt... vor lauter Hetze das Buch nicht eingepackt... das gibt Mecker vom Lehrer... Beim Tischnachbar mitlesen ist schon nicht toll, und du fühlst dich über die ganze Situation nicht gut. Sogar deine Körperhaltung wird etwas "geknicktes" haben. Zumindest in der einen Stunde bist du nicht gut drauf, fühlst dich ein wenig wie "Versager". Ist an dem Tag zufällig auch Sport, schaffst du da vielleicht etwas nicht so gut wie sonst, fällst im schlimmsten Fall sogar über deine eigenen Füße. An so einem Tag hockst du geknickt ein paar Stufen weiter unten auf deiner Gefühlsleiter.

Ob man nun will, oder nicht, man gibt sich immer so, wie man sich fühlt. Die Menschen im Umfeld bekommen die augenblickliche Ausstrahlung einer Person immer mit, wenn auch nur unbewusst. Sie haben dem entsprechend auch eine Erwartungshaltung einer Person gegenüber. Kommt jemand aufrecht und optimistisch daher, wird er schon als erfolgreich, angesagt, Leader-Persönlichkeit eingestuft und auch so behandelt. In seinem Glanz sonnt sich jeder gern. Wer wie ein krummes Fragezeichen durch die Welt schleicht, dem traut man nichts zu, den lässt man schon einmal links liegen. Man traut dem Strahlemann ganz unbewusst mehr zu, als dem "geknickten Looser".

Wie man von seinen Mitmenschen wahrgenommen wird, wirkt auch auf einen selbst zurück. Es verstärkt das Bild, das man von sich hat, macht unangreifbar und unverletzlich. Der Looser empfindet sich als abgelehnt, die mögen mich ja sowieso alle nicht… Er macht sich deshalb vielleicht noch etwas kleiner und nimmt sich jeden dummen Spruch schwer zu Herzen. Der positiv beflügelte empfindet sich als akzeptiert, gemocht und respektiert. Es fiele ihm ganz leicht, einen dummen Spruch gegen sich ins lächerliche zu ziehen oder ganz zu überhören, falls er überhaupt welche zu hören bekäme.

Nicht jeder Tag ist super, nicht jeder total mies, Aber die Gefühle, die man in verschiedenen Situationen durchlebt, wirken sich ganz stark auf die momentane Stimmung und die Selbstwahrnehmung aus. Deshalb sind erfolgsgewohnte Menschen erfolgreich und Pessimisten werden im Laufe der Zeit zu so etwas wie "dummen Schafen", die es nur mit sehr viel Mühe zu etwas bringen.

Die ganze Kindheit prägt einen Menschen ja. Und hier kommen wir nun zum Weinen.

Kleiner Junge schlägt sich die Knie auf, es tut weh, die Tränen fließen, und Mamas Trost tut gut - schnief. Im Kindergarten passiert so etwas ähnliches, da tröstet dann die Kindergartentante, aber - schnief - es ist nicht das selbe, wie bei Mama. Da meint er nun, wenigstens hier schon tapferer sein zu müssen.

Dann kommt in der Grundschule, warum auch immer, eine Situation, in der er einfach losplärren könnte. Aber wenn die anderen das merken, lachen sie ihn vielleicht aus. Jungs heulen ja nicht. Deshalb verbeißt er sich in der Schule alle Tränen, klagt nur Mama zuhause sein Leid.

Die Jahre gehen dahin, und spätestens ab 13 haben Jungen stets und ständig super-cool zu sein. Bloß niemand merken lassen, wie es tief drinnen aussieht, dann bekommt man nämlich gleich den Spitznamen Heulsuse verpasst, und der klebt dann wie Pech an einem. Weil man meint, immer mit den coolen Typen mithalten zu müssen, mit allem und jedem allein fertig werden zu müssen, erzählt man nicht einmal mehr die größten Nöte seinen Eltern. Man meint, man müsse nun unbedingt schon "erwachsen sein".

Dann entwächst man allmählich der Pubertät. Hat sich dann Jahre lang nicht einmal selbst seine traurigen Empfindungen eingestanden, sie tief in sich vergraben oder verdrängt. Man hätte es sonst ja nie geschafft, so cool zu sein, wie man zu sein hatte. Plötzlich stellt man dann aber fest, dass man "chronisch am heulen" ist, eben immer wieder einmal eine Nebenhöhlenentzündung bekommt, bei jeder Gelegenheit einen Schnupfen hat. Das sind all die aufgestauten Tränen, die nie hinaus durften.

Hier kommt die Fortsetzung:

Es nützt einem dann aber nichts, alle diese alten, nicht bewältigten Trauermomente Revue passieren zu lassen, und nun nachträglich darüber zu grübeln, oder vielleicht noch darüber zu heulen. Man muss von der anderen Seite herangehen, sich die erfreulichen Momente wieder ganz deutlich bewusst machen. Also lieber noch einmal das Gefühl nachempfinden, wie es damals mit der überraschenden zwei war. Da war in Mathe der Knoten doch endlich geplatzt und es ging aufwärts!

Als Erwachsener wird man auch niemals gefragt, wie man in Sport war, ob man jedes Mal als erster das Seil hinaufkam, oder immer verzweifelt auf dem Knoten hockte. Wen interessiert es heute noch, wie verzweifelt du mit 12 das eine Mädchen in deiner Klasse angehimmelt hast, dich nur nicht trautest, sie anzusprechen. Im Rückblick war sie doch bloß die eingebildetste Schnepfe der Klasse.

Lässt man die erfreulichen Erlebnisse seines Lebens noch einmal in Gedanken aufleben, wirken sie noch genau so positiv, angenehm, anspornend, inspirierend, wie sie es damals taten. Sie haben immer noch ihre magnetische Wirkung und ziehen einen die Gefühlsleiter Stufe für Stufe nach oben.

Das mag daran liegen, dass wir auch vor Freude weinen können.

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@bethmannchen

Hallo bethmannchen, alle Achtung für Deine Arbeit und Ausführungen. Viele Grüße - Sallychris

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Du hast dir in deinen jungen Jahren schon einen ganz schönen Panzer zugelegt. Du musst doch weinen, wenn du Kummer hast. Du darfst das nicht hinunterschlucken. Das schadet dir mehr als es nützt. Und wenn so ein Kerl die Pfoten nicht von dir lassen kann, dann zeige ihn an oder sag es deinen Eltern. Du wirst richtig krank werden, wenn du immer nur alles in dich hineinschluckst. Sei so gut, teile dich mit. Teile alles mit was dir auf der Seele lastet. Weinen ist gut und wichtig - und zwar nicht nur wegen der Nase. gute Besserung.

Hallo LauraBlue,

eigentlich ist hier schon alles geschrieben, doch ich hätte Dir dazu noch einen Rat:

Wenn Dir eigentlich wieder zum Weinen ist und Du nicht weinen kannst, dann hole Dir eine scharfe Zwiebel und schneide diese in ganz kleine Würelchen, atme dabei tüchtig ein, Du wirst merken, dass es Dir die Tränen in die Augen treibt und nun kannst Du Deinem Gefühl Weinen zu müssen freien Lauf lassen. Auf diese Art wird niemand mitbekommen, dass Du tatsächlich weinst, alle werden denken, die Zwiebeln haben das verursacht. Auf diese Art kannst Du wieder weinen lernen.

Was die Psychologen betrifft - nicht alle sind blöde, es gibt auch gute und einen solchen müsstest Du ausfindig machen, damit er Dir über die erste Hürde helfen kann, denn alleine ist das schwer zu schaffen. Alles Gute - Sallychris