Privater Notfallrucksack mit Qualifikation NFS?

3 Antworten

Ich bin selber kein Notfallsanitäter, dennoch ist die rechtliche Situation eine Andere:

1.) Der jeweilige Ortsverein oder Kreisverband, hat mit der "Freigabe" von Medikamenten nicht's zu tun. Standardisierte Vorgaben, werden vom jeweils zuständigen ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) des jeweiligen Rettungsdienstbereiches erstellt und herausgegeben. Jedoch ist derzeitig zweifelhaft, ob es sich bei standardisierten Arbeitsanweisungen um eine Delegation von ärztlichen Leistungen im rechtlichen Sinne handelt, da die "klassischen" Voraussetzungen der Delegation ärztlicher Leistungen hier jedenfalls nicht vorliegen,

2.) Punkt 1 ist aber unerheblich, da seit Kurzem der neue §2a Notfallsanitätergesetz (NotSanG) in Kraft ist, welcher Notfallsanitäter/innen die Ausübung von heilkundlichen Maßnahmen, einschließlich von heilkundlichen Maßnahmen invasiver Art gestattet, wenn sie 1.) diese Maßnahmen in ihrer Ausbildung erlernt haben und beherrschen und 2.) die Maßnahmen jeweils erforderlich sind, um Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden von der Patientin oder dem Patienten abzuwenden. Unter diesen Voraussetzungen ist es egal, was der ÄLRD in standardisierten Arbeitsanweisungen (SOP's) vorgegeben hat, sofern man es erlernt hat und beherrscht,

3.) Die zentrale rechtliche Vorschrift ist das Heilpraktikergesetz (HeilprG). Dieses Gesetz, sollte im privaten Bereich jedoch keine Anwendbarkeit haben, denn es regelt die "Berufs- und gewerbsmäßige Ausübung der Heilkunde"!, NICHT den privaten Bereich. Kurzum, darf also im privaten Bereich JEDER heilkundliche Maßnahmen ergreifen, unter anderem also Arzneimittel applizieren, wenn er dies beherrscht (inklusive der möglichen Nebenwirkungen!).

4.) Aufbewahrung. Nein, man müsste die Arzneimittel nicht "verstecken", besondere gesetzliche Vorschriften bezüglich der Aufbewahrung, gelten ausschließlich für Betäubungsmittel nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG). BtM, müssen vor dem unberechtigten Zugriff Dritter durch dreifache Verschließung gesichert sein. Allerdings, haben Notfallsanitäter zum derzeitigen Zeitpunkt auch nicht die rechtliche Befugnis, Betäubungsmittel zu verabreichen, daran, ändert auch der neue §2a NotSanG oder die Nichtanwendbarkeit des HeilprG im privaten Umfeld nicht's, da der §13 BtMG einen gesonderten Arztvorbehalt für BtM enthält. Eine eigenständige BtM- Applikation durch NotSan's, ist daher gegenwärtig nur im Rahmen von §34 StGB ("rechtfertigender Notstand") möglich. Wichtig ist aber natürlich, dass sämtliche Arzneimittel entsprechend der Herstellerangaben gelagert sind, einige, eignen sich NICHT für eine Aufbewahrung im PKW.

Mfg.

§ 34 StGB

Rechtfertigender Notstand

  1. Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt.
  2. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
Von Experte iwaniwanowitsch bestätigt

Hi,

Als Notfallsanitäter darf man ja je nach Bedingungen des jeweiligen Ortsvereins oder Kreisverbands auch selbstständig Medikamente applizieren, sofern Notarzt nicht zeitig verfügbar bzw. an der Einsatzstelle eintrifft.

Die Vorgaben richten sich nach den Freigaben des zuständigen Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) - die einzelnen Verbände haben da aus rechtlicher Sicht weder ein "Mitspracherecht", noch das Recht, Maßnahmen offiziell freizugeben.

Letzteres hindert einige Gliederungen allerdings dennoch nicht, es zu versuchen - rechtlich ist es vollkommen ohne Belang.

Solche Freigaben beziehen sich allerdings auch nur auf die berufliche Tätigkeit - im Privatbereich ist es vollkommen ohne Belang. De facto: außerhalb des Dienstes gibt es keine Freigaben.

Bleiben als Grundlagen allenfalls § 2a NotSanG und § 34 StGB. Ob ersterer in diesem Fall greift, ist mangels Rechtssprechung fraglich - in letzterem Falle liegen die Anforderungen ziemlich hoch.

Jetzt mal unabhängig davon, dass diese rezeptpflichtig sind, dürfte ich diese in meinem Auto mitführen und davon als Notfallkompetenz gebrauch machen?

Thema Mitführen: wenn jemand verschreibungspflichtige Medikamente durch die Gegend fährt, wird sich die äußerst unangenehme Frage gefallen lassen müssen, wie er daran kommt. Viele Varianten dafür gibt es nicht: entweder eine mehr oder minder offizielle Überlassung (was es in der Praxis quasi nicht gibt) - oder Diebstahl (§ 242 StGB).

Thema Anwendung: man wird sich mit der Anwendung selbst dann in die Brennnesseln setzen, wenn man es (prinzipiell) darf.

Denn: es fehlen zwangsläufig Mittel zur Diagnostik und zur Überwachung, die für die Anwendung diverser Medikamente schlicht unerlässlich sind. Für "ich spritze irgendwas und hoffe, dass es gut geht" gibt es einen Fachbegriff: grobe Fahrlässigkeit. Und bei der Medikamentengabe an sich wird man sogar den Vorsatz in Reinform unterstellen, nämlich die Absicht.

Und das wird einem einerseits strafrechtlich (vgl. §§ 223, 224, 227, 229 StGB) als auch zivilrechtlich jeden Boden unter den Füßen wegziehen.

Fazit

Pfoten weg - in der gelebten Praxis vollends sinnfrei (wir sind nicht in einem Dritte-Welt-Land aus rettungsdienstlicher Sicht), dafür aber mit hervorragenden Potential, schiefzugehen, Haus und Hof zu verlieren, die Berufsurkunde in den Aktenvernichter fliegen zu sehen und - wenn's ganz ungünstig läuft - ein paar Jahre gesiebte Luft zu atmen.

LG