Dürfen Rettungsassistenten einen Patienten Schmerzmittel geben?

8 Antworten

Eindeutig: ja, dürfen sie, wenn sie folgendes erfüllen:

  • der RettAss beherrscht die Gabe, die Wirkungen und eventuelle Komplikationen
  • die Schmerzmittel müssen notwendig sein
  • der Patient muss - falls vom Bewußtseinszustand her möglich - aufgeklärt sein (überNotwendigkeit, Wirkung, Kompliklation und die Tatsache, dass der Verabreicher kein Arzt ist)
  • der Patient muss zustimmen (falls bewußtlos: die Behandlung muss im vermuteten Willen des Patienten erfolgen)

Für die Medikamentengabe durch einen Arzt sind übrigens diese Punkte ebenfalls relevant. Ein RettAss darf jedoch aufgrund des expliziten Arztvorbehalts im BTMG keine dort gelisteten Medikamente (Opiate, im Rettungsdienst gebräuchlich: Morphin und Fentanyl) verabreichen, ohne sehr gute Gründe für einen rechtfertigenden Notstand zu haben.

Leider mangelt es vielen Kollegen ausbildungsbedingt an dem Grundsatz der Beherrschung (auch der eventuellen Komplikationen), so dass sich das Gerücht nachdrücklich hält, ein RettAss dürfte gar keine Medikamente geben. Bei manchen ist das vielleicht auch ganz gut so.

Hier hilft tatsächlich eine eindeutige Regelung mit spezieller Medikamentenschulung und eine enge Absprache mit den Notärzten, um Ärger zu vermeiden. Eine rechtliche Notwendigkeit ist sie allerdings nicht!

Übliche Nicht-BTM-Schmerzmittel im Rettungsdienst wären Valium, Novalgin, Paracetamol (allerdings eher als Fiebersenker eingesetzt) und Ketamin. Aspirin prinzipiell auch, das wird aber präklinisch eher im Sinne des Thrombozytenaggregationshemmers benutzt, schmerzmittelmäßig rangiert es unter ferner liefen (wer mit dem auskommen würde, braucht gar keins).

Prinzipiell ist ja schon alles beantwortet, aber hier im schönen Mittelhessen (Landkreis Giessen und Marburg-Biedenkopf) dürfen wir als RA's mit zwei jähriger Berufserfahrung an einer Kompetenzentwicklung teilnehmen, die uns nach einer Schulung ermöglicht Morphin bei Extremitäten-Traumas nach einem Call-Back in Eigenverantwortung zu verabreichen. in diese Kompetenzentwicklung fällt dann auch noch das verabreichen von Paspertin (MCP) drunter um evtl übelkeit durch opiode analgethika zu unterbinden bzw. um diese zu behandeln.

baertl  23.01.2012, 01:54

Morphin ist im BTMG dem Arzt vorbehalten. Wenn das örtlich zugestanden wird, dann bitte trotzdem vorsichtig sein, letztendlich ist das immer noch ein Verstoß gegen das BTMG, dem man nur mit dem "rechtfertigenden Notstand" beikommt. Gut, dass ein "Call-Back" als Rückversicherung existiert und natürlich die Schulung zu genau diesem Medikament in all seinen Facetten.

Letztendlich ist aber immer der Verabreicher der Verantwortliche, also immer schön die zusätzlichen Voraussetzungen abklären.

Ich weiß, deine Frage ist schon sehr alt, ich beantworte sie aber dennoch. 

Grundsätzlich ist jede invasive medizinische Maßnahme und heilkundliche Maßnahme einem Arzt vorbehalten (Paragraph 1 Heilpraktikergesetz) Arztvorbehalt. Ist die Gefahr für Leib oder Leben jedoch nicht anders abwendbar und ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig verfügbar, darf jeder der die Maßnahme sicher beherrscht diese auf Grundlage des rechtfertigenden Notsandes (Paragraph 34 StGB) durchführen, um das Leben des Patienten zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. In diesem Fall, ist der Verstoß gegen den Arztvorbehalt straffrei, da ein Rechtfertigungsgrund, die akute nicht anders abwendbare Gefahr für Leib oder Leben, vorliegt. Grundvoraussetzung für ein Handeln auf Grundlage des rechtfertigenden Notstandes ist jedoch die sichere Beherrschung der Maßnahme, dazu gehört neben der sicheren Beherrschung der Maßnahme selbst auch das nötige Wissen, mit der Maßnahme verbundene Gefahren (z.B. Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sicher abwenden zu können. Das wird nicht immer alleine durch Abschluss der Ausbildung zum Rettungsassisten erreicht, sondern erfordert teils zusätzliche Lehrgänge und Fortbildungen. Im wesentlichen können Rettungsassisten aber intravenöse Zugänge legen und ausgewälte Medikamente sowie kristalloide Infusionslösungen verabreichen. Auch Rettungssanitäter können von rechtfertigenden Notstand Gebrauch machen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, allerdings kommt für Rettungssanitäter nur das Legen eines intravenösen Zuganges und die Applikation kristalloider Infusionslösungen in Frage. Eine eigenverantwortliche Applikation von Notfallmedikamenten durch RettSan ist hingegen ausgeschlossen, da der Umfang der RettSan Ausbildung nicht ausreichend ist, um auch damit verbundene Gefahren sicher abeenden zu können, damit entfällt der Grundsatz einer sicheren Beherrschung der Maßnahme. 

Grundsätzlich dürfen Rettungsassistenten keine Medikamente verabreichen. Sowas ist dem Arzt vorbehalten.

Es gibt jedoch regional sehr unterschiedliche Listen mit Medikamenten, bei denen die Verabreichung erlaubt ist, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört die unbedingte Notwendigkeit der Medi-kamentengabe (vitale Bedrohung), die Kenntnis des Medikaments und all seiner Wirkungen und (Kontra-)Indikationen und die Nicht-Verfügbarkeit eines Arztes an der Einsatzstelle.

baertl  23.01.2012, 01:49

Der erste Satz ist so allgemein falsch. Jeder, der eine medizinische Berufsausbildung (z.B. RettAss, gleiches gilt aber auch für den Arzt!) hat, darf unter bestimmten Umständen (Beherrschung, Notwendigkeit, Aufklärung, Zustimmung) Medikamente geben. Hierbei ist freilich ein sehr enger Maßstab anzulegen!

Im Gegenteil: RettAss müssen sogar Medikamente geben, wenn die o.g. Voraussetzungen erfüllt sind.

Einzige Ausnahme bilden die BTM, denn im BTM-Gesetz ist dazu explizit nur ein Arzt berechtigt. Hier müsste man als Nicht-Arzt den $34 StGB (rechtfertigender Notstand) in Anspruch nehmen.

In der Praxis mangelt es jedoch beim "typischen RettAss" oft an dem Grundsatz der Beherrschung und/oder der unmittelbaren Notwendigkeit. Leider wird das oft mit Nicht-dürfen verwechselt, vor allem, weil das Risiko für den RettAss in der Praxis deutlich höher ist - dem Arzt wird von vornherein eine bessere Qualifikation zugestanden (hat er ja auch, deshalb wird ein Fehler hier eher auf "Pech gehabt" als auf "Durfte der das?" rauslaufen) und Ärzte haben eine bessere Absicherung und werden für das Risiko im Einsatz auch weit besser bezahlt (haben natürlich auch weit mehr unmittelbare medizinische Verantwortung, wenn sie dann mal da sind).

Vorher abgestimmte Medikamentenlisten und spezielle Schulungen sind da eine große Hilfe, aber streng rechtlich nicht Voraussetzung.

Grundsätzlich hat Reiswaffel recht. Aber ein paar kleine Anmerkungen seien mir noch gestattet. Rettassi dürfen im Ramen der Notkompetenz alle Medikamente für eine Reanimation verabreichen. Voraussetzung ist die nicht verfügbarkeit eines Arztes. In manchen Rettungsdienstbereichen ,mit jungen dynamischen Leiter Rettungsdienst, ist man dazu übergegangen einige Medikamente nach eingehender Schulung für die Rettassi frei zu geben. Natürlich unter strenger Dokumentation. Schmerzmittel im eigentlichen Sinne sind nicht dabei. Grundlage dafür ist ein langjähriges Vertrauensverhältniss zwischen Rettdienstlern und Notärzten.

baertl  23.01.2012, 01:34

"Notkompetenz" gibt es nicht, die Medikamentengabe ist unter gewissen Umständen den Ärzten und auch den Rettungsassistenten gleichermaßen erlaubt (Beherrschung, Notwendigkeit, Aufklärung). Ein RettAss darf jedoch aufgrund des expliziten Arztvorbehalts im BTMG keine dort gelisteten Medikamente (Opiate, im Rettungsdienst gebräuchlich: Morphin und Fentanyl) verabreichen, ohne sehr gute Gründe für einen rechtfertigenden Notstand zu haben.

Leider mangelt es vielen Kollegen ausbildungsbedingt an dem Grundsatz der Beherrschung (auch der eventuellen Komplikationen), so dass sich das Gerücht nachdrücklich hält, ein RettAss dürfte gar keine Medikamente geben. Bei manchen ist das vielleicht auch ganz gut so.

Hier hilft tatsächlich eine eindeutige Regelung mit spezieller Medikamentenschulung und eine enge Absprache mit den Notärzten, um Ärger zu vermeiden. Eine rechtliche Notwendigkeit ist sie allerdings nicht!

Übliche Nicht-BTM-Schmerzmittel im Rettungsdienst wären Valium, Novalgin, Paracetamol (allerdings eher als Fiebersenker eingesetzt) und Ketamin. Aspirin prinzipiell auch, das wird aber präklinisch eher im Sinne des Thrombozytenaggregationshemmers benutzt, schmerzmittelmäßig rangiert es unter ferner liefen (wer mit dem auskommen würde, braucht gar keins).

baertl  23.01.2012, 01:56
@baertl

Butylscopolamin hätte ich beinahe noch als übliches Standardmedikament vergessen.