Könntet ihr als Rettungssanitäter arbeiten?

ischdem  10.10.2020, 08:25

Als Rettungssanitäter ist es sein Job, zu fahren. Beim Patienten bleibt der Notfallsanitäter."

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666evil 
Fragesteller
 10.10.2020, 13:34

Hab die Begriffe durcheinandergworfen. Ihr wisst trotzdem was gemeint ist

16 Antworten

Von Experte SaniOnTheRoad bestätigt
Könntet ihr als Rettungssanitäter arbeiten?

Das tue ich seit acht Jahren.

Und wenn mir vor neun Jahren jemand gesagt hätte, dass ich diesen Job mal machen würde (und zwar gerne!), hätte ich ihn ausgelacht ;) Ich bin da ein Bisschen zufällig reingeschlittert, ohne wirklich zu ahnen auf was ich mich einlasse.

Ich sage es mal so: Der Außenstehende sitzt meist einigen elementaren Missverständnissen auf, was diesen Job angeht. Zum Beispiel:

So viel leid und Tod wie man jeden Tag sieht?

Nein, man sieht nicht täglich Leid und Tod. Ich jedenfalls nicht. Im Durchschnitt höchstens alle 2-3 Schichten mal einen ernsthaft bedrohlichen Fall und vielleicht zwei Tote pro Monat (ca. 15-17 Schichten). Okay, ich fahre auf dem Land, wo es deutlich weniger Einsätze gibt als in der Stadt - aber in der Stadt ist der Anteil der Bagatelleinsätze, also bei denen der Rettungsdienst eigentlich die falsche Adresse ist, deutlich höher.

Es ist also keineswegs so, dass man nach jedem Dienst was zu verarbeiten hat. Man fühlt sich oft eher wie ein Taxifahrer.

Ein weiteres Missverständnis ist, dass Leid und Tod uns in jedem Fall belasten. Für "Otto Normalbürger" ist es die absolute Ausnahmesituation, wenn ein Angehöriger einen Schlaganfall hat oder man gar jemanden tot auffindet. Er hat nicht gedacht, jemals in diese Situation kommen zu können. Nichts hat ihn darauf vorbereitet. Vor diesem Hintergrund ist das natürlich sehr belastend!

Nur, für einen Rettungsdienstler sind das in aller Regel keine Ausnahmesituationen. Seit man sich für diesen Job entschieden hat, war klar dass man es erleben wird. Man hat in der Ausbildung darüber gesprochen, man sieht wie die Kollegen damit umgehen und hat sich selbst auch schon seine Gedanken gemacht. Das alles führt dazu, dass man eigentlich schon seinen Frieden damit gemacht hat, bevor man es erlebt.

Das heißt nicht, dass es keine belastenden Einsätze gibt! Es gibt außergewöhnlich krasse Einsätze und jeder hat seine individuelle "Achillesferse" in Form von Situationen, mit denen er nicht fertig wird. Aber die "alltägliche" Situation 'Person leblos aufgefunden - ggf. eine Weile reanimiert - Tod festgestellt - zurück zum Mittagessen' sollte mMn keine besondere Belastung sein.

Es ist gut möglich, dass das Kind die "Achillesferse" deines Bekannten war. Kinder liegen den meisten Menschen nochmal anders am Herzen als erwachsene Mitmenschen. Aus diesem Grund - und weil sie so selten sind, dass man damit kaum je Routine bekommt - gehen Notfälle mit Kindern vielen Rettungsdienstlern besonders nah und erzeugen einen besonderen Stress. Ich selbst bin bisher von schweren Kindernotfällen weitgehend verschont geblieben und kann tatsächlich nicht sagen, wie es mir ergehen würde, hätte ich etwas erlebt wie von dir geschildert.

Er konnte es somit nicht retten obwohl er ihr ja immer wieder sein Versprechen gab und ihr sagte das alles gut werde.

Das ist genau so ein Punkt mit Kindernotfällen. Man lernt in der Ausbildung, niemals Versprechungen zu machen, die man nicht halten kann. Beispiel: Wenn ein Bein zerquetscht, sollte man dem Patienten niemals versprechen, dass er es behalten wird. Ein erwachsener Patient wird auch soweit damit umgehen können (d.h. im Nachhinein wird er froh sein, mit amputiertem Bein überlebt zu haben). Der Grund ist genau der: Man wird sich hinterher Vorwürfe machen, das Versprechen nicht gehalten zu haben.

Aber wie macht man es mit einem Kind, das noch nie etwas Schlimmes erlebt hat und das einfach nur möchte, dass seine heile Welt bleibt, wie sie immer war? Dem man irgendwie gut zureden möchte, das genau diese eine Frage stellt und eine ausweichende Antwort wahrscheinlich nicht verstehen oder akzeptieren würde? Da kommt man eben doch schnell dazu, alles zu versprechen was das Kind möchte. Mit absehbarem Ergebnis, wenn es schief geht.

und habt auch solche Geschichten erlebt?

Die jüngste Person, die ich als Leiche gesehen habe, war 14 Jahre jung. Also nicht mehr wirklich ein kleines Kind.

Die Personen, mit denen ich noch gesprochen habe bevor sie starben, waren erwachsen. In diesen Fällen bin ich heilfroh, zu wissen dass ich nichts falsch gemacht habe. Nichts, was ich tun, lassen oder anders hätte machen können, hätte das Ergebnis geändert.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Ich arbeite als Rettungssanitäterin, aber erst seit wenigen Monaten. So einen schweren Verkehrsunfall hab ich bisher noch nicht erleben müssen. Ich weiß, dass ich als RS eine sehr wertvolle Arbeit leiste und den Menschen helfen möchte und größtenteils auch helfe. Aber man kann nie alle retten, dafür kann man nichts. Man darf sich nie für so etwas die Schuld geben. Wir machen nach relativ belastenden Einsätzen immer ein Einsatznachgespräch. Aber ich kann noch nicht sagen, wie ich mit so einem Unfall letzendlich umgehen werde. Schwere Unfälle und Todesfälle sieht man im Rettungsdienst übrigens nicht täglich. Auch nicht wöchentlich. Zu 80% sind es nicht mal Notfälle. DIe Hemmschwelle 112 zu wählen, ist in den letzten Jahren ziemlich gesunken.

zocker0796  09.10.2020, 17:40

Die Hypochonder sollten einen Selbstbehalt zahlen, wenn sie grundlos die 112 wählen .

FloraFinia17  12.10.2020, 10:43
@zocker0796

Hypochondrie ist eine Angststörung, also genauso eine psychische Erkrankung wie Depressionen oder Psychosen. Die Betroffenen leider sehr stark unter ihren Ängsten und haben meistens eine Vorgeschichte. Niemand sollte den RTW selbst zahlen müssen. Ich bin eher sehr froh, dass wir in Deutschland ein so ein gutes soziales und medizinisches System haben.

lena0306  13.10.2020, 12:55
@zocker0796

so genau kann man das nicht sagen. Ich hatte schon Patienten mit einer Bänderdehnung, die mit Va Sprunggelenksfraktur ins Krankenhaus kamen

zocker0796  13.10.2020, 19:44
@lena0306

Florafinia schreibt es ja oben . Es wird auch Leute geben die sich nicht trauen , anzurufen und sterben dann und andere nutzen es aus . Gab es schon alles . Freund von uns ist Notarzt . Anruf: ich spucke Blut . Er war dann mit Blaulicht da . Hat bestimmt wieder andere Verkehrsteilnehmer indirekt gefährdet. Was wars? Sie hatte punch getrunken . Da kann man auch Vomex nehmen. Ich glaube wir können uns bald nicht mehr alles leisten . Aber das ist mayhematik 🤪

zocker0796  13.10.2020, 19:47
@lena0306

Ich hatte viele Brüche und nie einen Notarzt . Bin da so ins Krankenhaus gekommen . Alkoholismus ist auch eine Krankheit . Trotzdem bekomm ich meinen Stoff nicht von der Krankenkasse bezahlt oder den Wein vom Notarzt geliefert 😂

Von Experte RedPanther bestätigt

Hi,

ich arbeite seit einigen Jahren hauptamtlich im Rettungsdienst.

Feststellung Nummer 1: es wird in der Allgemeinheit sehr viel überdramatisiert - sowohl, was die Belastungen als auch die Einsätze angeht.

Ja, solche Einsätze wie die geschilderten gibt es, keine Frage. Es sind auch oft genug Einsätze dieser Art, die einem nachgehen und die Kollegen dazu bringen, den Job an die Wand zu hängen. Diese Einsätze stellen allerdings in einem aus Ausnahmesituation bestehenden Arbeitsumfeld allerdings selbst eine Ausnahme dar.

Der Großteil aller Rettungsdiensteinsätze verläuft interessanterweise nicht-Hollywood-like ganz ohne literweise Blut, fehlende Gliedmaßen oder dramatische Rahmenbedingungen.

Wie in anderen Berufen ist auch hier 90 % der Einsätze Alltagsroutine - für die Patienten selbst ist es allerdings dennoch eine Ausnahmesituation.

Der kreislaufstabile Herzinfarkt bringt den Rettungsdienstler eher nicht ins Schwitzen, es sei denn, er wiegt 150 kg und wohnt im vierten Stock ohne Aufzug ;-)

Fazit

Ich glaube einfach, dass die Öffentlichkeit ein stark überzeichnetes Bild der rettungsdienstlichen Arbeit hat. Eines, das mit Dramaturgie und Brutalität fast schon überquillt und mit der Realität kaum etwas gemein hat.

Auch für uns sind Außergewöhnliche Dinge belastend - der Clou ist, dass wir diesen Situationen definitiv nicht mal ansatzweise so oft ausgesetzt sind, wie angenommen. Das, was wir tagtäglich versorgen, ist der übliche Standard - und damit können wir auch recht gut schlafen gehen.

LG

Als Lokführer habe ich etliche Leichenteile gesehen, auch selber jemanden getötet, obwohl ich alles getan habe um das Unglück zu verhindern geht sowas natürlich nicht an einem vorüber, habe das Bild heute noch vor Augen. Nicht jeder ist dafür geschaffen, und es ist gut wenn man sich das vorher mal überlegt, ob man mit den Belastungen klarkommt, oder vielleicht schon nach wenigen Jahren hinschmeisst. Das Problem hatte ich nämlich danach, dann noch wieder in den alten oder einen anderen Job reinzukommen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Ich möchte allen Sanitäter und Sanitäterinnen, Rettungskräfte wie auch Feuerwehr und Polizei aber auch Not Ärzte hier mein größten Respekt zollen.

Ihr seid mit jedem Einsatz die Helden die Disney und marvel darstellen wollen.

Ein großes Dank von meiner Seite aus, das wir uns nie begegnen müssen aber trotzdem wünsche ich euch allen alles Gute