Die Skala von Schmerzen beim Notfallprotokoll?

8 Antworten

Die 0 bis 10 Skala ist nur eine subjektive Einschätzung. Jeder Mensch empfindet Schmerz anders. Deshalb ist diese Skala auf normalen Patientenprotokollen nicht zu finden.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Hi,

Von wo bis wo geht diese Skala, wenn ihre Schmerzen mit 3 betitelt wurden?

Die NRS (Numerische Rating-Skala), die zur Evaluation der Schmerzstärke üblich ist, reicht von 0 (schmerzfrei) bis zu 10 (stärkster vorstellbarer Schmerz).

Es sind allerdings auch andere Skalen zur Ermittlung der Schmerzen in Gebrauch (z.B. VAS).

Schmerzen lassen sich schlecht durch Dritte einschätzen und auch entsprechende Skalen sind allenfalls ein subjektiver Anhaltspunkt - manch ein Patient macht aus einer - zur objektiven Beobachtung passenden - 2 eine 10 (oder 13), ein Patient, der objektiv eine 8 oder 9 haben müsste, gibt zum Teil eine 4 - 5 an.

Ab einer NRS > 4 oder nach Patientenwunsch ist eine entsprechende Analgesie allerdings indiziert.

Sie wurde auch gar nicht danach gefragt.

Im "Erstangriff" ist das meist auch eine nachrangige Information - der klinische Eindruck entscheidet. Zumindest von der Schilderung kann man eine "3" ohne erfolgte Maßnahmen mal infrage stellen.

Typischerweise wird die genaue Schmerzintensität erst im Verlauf im Protokoll nachgetragen.

Aber meinem Eindruck nach zu urteilen war es mindestens eine 6 bis 7.

Zum einen siehe oben - zum anderen: wird die NRS erst nach erfolgter Lagerung oder eben der Analgesie ermittelt, ergeben sich logischerweise andere Werte.

LG

Die Schmerzskala reicht von 0 für keinen Schmerz bis hin zu einer 10 für die allerstärksten Schmerzen, die sich der Patient vorstellen kann. Eine Skala von 1 bis 10 gibt es nicht, denn das würde ja wiederum bedeuten, dass der Patient immer mindestens Schmerzen von 1 hätte und dass ist eben nicht der normale Zustand der allermeisten Menschen. Die Schmerzskala dient der Einordnung der Schmerzen, die jeder Mensch immer subjektiv empfindet, siehe dazu auch die sehr ausführliche Antwort von "RedPanter". Ich habe dass bei meiner Oma tatsächlich so erlebt, sie hatte sich vor wenigen Jahren das Sprunggelenk gebrochen und war damit wochenlang noch mobil, ging sogar noch selbstständig zum Einkaufen, alle Ratschläge, einen Arzt aufzusuchen, weil man nur mit einem Röntgenbild eine sichere Diagnose erstellen kann, hat sie sechs Wochen! lang ignoriert und immer wieder gesagt, dass da schon nicht's schlimmeres sei, sie macht selber Salbenverbände drauf und dann wird dass schon wieder werden, als erst nach sechs Wochen immer noch keine Verbesserung eingetreten ist, ließ sich sich dann zu einem Besuch bei einem entsprechenden Facharzt überzeugen, Röntgenbild mit dem Ergebnis einer Sprunggelenkfraktur (Knochenbruch). Dass ist eben die Generation, die im zweiten Weltkrieg aufgewachsen ist und die Schmerzen damals oft wochenlang aushalten mussten, weil eine ärztliche Versorgung entweder gar nicht mehr erreichbar gewesen ist oder man dachte, man geht nicht zum Arzt, weil es Patienten gäbe, die ihn noch dringender nötig hätten als man selber. Die meisten anderen Menschen, hätten da schon ohne Belastung des Gelenkes stärkste Schmerzen empfunden, mit dem Ergebnis Rettungsdienst und Notarztnachforderung zur Analgesie (medikamentöse Schmerztherapie). Wie "RedPanter" schon geschildert hat, gibt es Menschen, die geben auf der Schmerzskala eine Zahl über 4 oder über 5 an, was somit eine Indikation für eine medikamentöse Schmerzbekämpfung darstellt, man holt den Notarzt hinzu und dieser verabreicht eine minimale Dosis eines schwachen Schmerzmittels, Schmerzen sind damit weg und der Notarzt, schaut die Rettungswagenbesatzung nach dem Motto an: "dafür habt ihr mich jetzt angefordert?!". Ich habe tatsächlich von einem Fall gehört, indem der nachgeforderte Notarzt dem Patienten überhaupt gar kein Schmerzmittel verabreicht hatte sondern nur in eine Spritze aufgezogene Kochsalzlösung und siehe da, die Schmerzen waren deutlich besser, rein psychisch, obwohl eine Kochsalzlösung natürlich null schmerzstillenden Effekt hat, auch soetwas, gibt es. Dennoch bleibt abschließend weitgehend zu sagen, wenn der Patient nach seiner subjektiven Einschätzung starke Schmerzen empfindet, dann gehören diese auch medikamentös behandelt. Auch die Schilderung der Symptomatik spricht dafür, dass sie wirklich starke Schmerzen gehabt hatte, eine andere Situation ist es, wenn der Patient vollkommen entspannt dasitzt, alle Vitalwerte für eine geringe Schmerzsstärke sprechen und der Patient dann dennoch einen hohen Zahlenwert angibt. Mfg.

Die Schmerzskala von 0 bis 10 soll natürlich dazu beitragen, den Schmerz, den der Patient empfindet, irgendwo objektiv greifbar zu beschreiben. Eine Beschreibung wie "ein Stechen, wie ein Messer im Bauch" kann ein Programm, das tausende Notfallprotokolle statistisch auswertet, einfach nicht einsortieren.

In der Theorie soll die 0 "gar kein Schmerz" sein und die 10 ein unvorstellbarer, unerträglicher Vernichtungsschmerz. Nach dieser Skala sind Schmerzen ab ca. 5-6 nicht mehr zumutbar und bedürfen einer sofortigen Schmerzbekämpfung.

Gleichwohl hat diese Skala die eklatante Schwäche, dass Schmerzempfinden eine rein subjektive Geschichte ist.

Da hast du Menschen, die sich mit gebrochenem Bein aus dem Wald herausgeschleppt, Kinder entbunden oder Herzinfarkte und Bandscheibenvorfälle erlebt haben... sie werden einen gegebenen Schmerz wahrscheinlich damit vergleichen und feststellen, dass es diesmal längst nicht so schlimm ist... also vielleicht eine 3 oder 4. Und dann hast du Menschen, die eben jetzt die schlimmsten Schmerzens ihres bisherigen Lebens erleben und sich gar nicht vorstellen können, wie viel schlimmer Schmerzen noch werden können... also ganz klar, das jetzige ist eine 10. Obwohl beide in diesem Beispiel das gleiche Problem haben.

Außerdem ist der Umgang mit Schmerzen von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Das kann zum Beispiel eine Sache der Generation oder des Kulturkreises sein; während der Mensch, der den 2. Weltkrieg als Kind erlebt hat, gelernt hat dass man sich Schmerzen möglichst nicht anmerken lässt und selbst damit klarkommt, kommen andere Menschen aus Kulturkreisen, in denen allein das Vorhandensein irgendwelcher Schmerzen eine sehr emotionale Familienangelegenheit ist, die auf keinen Fall zu wenig beachtet werden darf. Dementsprechend hast du die Oma, die sich fast den Arm amputiert hat und fragt, ob sie deshalb wirklich ins Krankenhaus muss... oder die junge Frau, die wegen verstauchten Handgelenks die halbe Nachbarschaft ans Fenster schreit.

So, aber du musst ja eine Zahl ins Protokoll eintragen. Und stehst vor der Oma, die dir sagt "alles halb so wild, vielleicht 2 oder 3". Du siehst aber an ihrem Blutdruck und ihrem Puls, dass sie Stress hat und möchtest ihr etwas Gutes tun, nämlich die Schmerzen nehmen, die sie so tapfer erträgt. Mit einer 3 kannst du aber nicht die Nachforderung eines Notarztes rechtfertigen; Da ist es naheliegend, flugs eine 6 einzutragen und den Doktor zu holen.

Oder du siehst das Mädel, das eine leichte Verletzung erlitten hat, aber (nach deinem subjektiven Empfinden!) die Dramaqueen heraushängen lässt und die Frage nach der Schmerzskala mit "Zehn! Zehn! Zehn! Tun Sie doch was!" beantwortet. Und du weißt ganz genau, dass ein nachgeforderter Notarzt eine geringe Dosis des allerschwächsten Schmerzmedikaments wählen wird, um dich mit einem "ist-das-dein-Ernst?"-Blick abzustrafen. Da ist es wiederum naheliegend, den Wert auf der Skala etwas herunter zu korrigieren, um der Frage "was wagst du es, den Patienten mit solchen Schmerzen allein zu lassen?" aus dem Weg zu gehen.

Außerdem gibt es im Rettungsdienst natürlich Kollegen, die haben schon wer weiß was gesehen: Den Arbeiter, dessen Arm im Hächsler steckt. Den Fallschirmspringer, der sich an einem Zaunpfahl aufgespießt hat. Den Motorradfahrer, der im T-Shirt 100 m über die Schotterpiste geschlittert ist. Vor dem Eindruck dieser Bilder neigt man leider auch dazu, die Verletzung des jetzigen Patienten für weniger bedeutend zu erachten, als sie für den Patienten ist.

Das Dumme ist: Der Vorgesetzte weiß genauso wenig wie das landesweit verwendete Auswerteprogramm, ob du nun die tapfere Oma oder die Dramaqueen vor dir hattest. Er sieht nur die Zahl, die du eingetragen und die Maßnahme, die du ergriffen hast.

Das alles ist vollkommen menschlich! Es ist menschlich, Schmerzen unterschiedlich zu erleben. Es ist menschlich, unterschiedlich mit Schmerzen umzugehen. Und es ist auch menschlich, als Außenstehender die Schmerzen aus der Erfahrung mit vielen, vielen vorherigen Patienten zu betrachten und deshalb ggf. anders zu bewerten. Dessen muss man sich bewusst sein und einen guten Umgang damit finden.

Als die Sanitäter eingetroffen sind haben sie erstmal Blutdruck etc. gemessen.

Das mag erstmal wenig hilfreich aussehen, ist aber eine notwendige Standardmaßnahme. Bevor du irgendwelche Maßnahmen ergreifen kannst, solltest du sinnvollerweise erstmal wissen, in welcher Kondition sich der Patient befindet. Wenn der Blutdruck ziemlich niedrig ist, kommt z.B. ein Schmerzmedikament, das geneigt ist den Blutdruck herunter zu ziehen, eher nicht infrage. Während bei einem möglichen Problem am Herzen ein Medikament vermieden werden sollte, das das Herz belastet.

Und tatsächlich gibt der Blutdruck durchaus auch einen Hinweis darauf, wie der Patient gerade Schmerzen empfindet. Bei einem jungen Menschen, bei dem kein Grund für einen erhöhten Blutdruck besteht, kann ein erhöhter Blutdruck ein Zeichen für schmerzbedingten Stress sein.

Kleine Spitzfindigkeit:

dass sie den Rettungsdienst benachrichtigen lassen musste

Sie hat den Rettungsdienst gerufen, also eine Dienstleistung bestellt: Den notfallmäßigen Transport in ein Krankenhaus inklusive medizinischer Betreuung.

Nicht wie bei der Polizei, die du darüber informierst, dass auf dem Autobahnparkplatz gerade jemand Diesel aus LKW abschlaucht.

Sternenmami  29.08.2020, 09:32

Super Antwort. 👍

LittleCoon  29.08.2020, 10:17

Darf ich das als hilfreich bewerten...?

Also so wie Du das beschreibst, würde ich das auch eher bei 7 bis 8 einordnen. Ich hatte für mich auch schon mal die 10. Ich habe einen künstlichen Darmausgang, der mal verstopft war. Ich kann den Schmerz nicht beschreiben. Da war so ziemlich alles an Schmerz dabei was es so gibt. Stechen, krampfend, drückend. Ich habe mich vor Schmerzen auch hin und her wälzen müssen, so dass meine Ellenbogen aufgeschubbert waren und bluteten. Ich musste damit tatsächlich ins Koma versetzt werden. Man sagt etwa 1bis 4 leichte Schmerzen, 5 bis 6 mittlere Schmerzen, 7 bis 10 starke bis stärkste Schmerzen. Ab der 4 beginnt man eigentlich mit der Schmerztherapie. Ich finde es merkwürdig, dass der Sanitäter die Schmerzen eintacktet???? Wie kann er das beurteilen?

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung