Wie geht man mit Menschen um, die auf liebevoll und vorsichtig vorgetragener Kritik unverhältnismäßig aufgebracht umgehen und die Freundschaft anzweifeln?

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Hier gibt es zwei Aspekte:

  1. Was tut ihm in solchen Situationen gut und wie kommt man dann noch an ihn heran?
  2. Was geschieht mit dir, wenn jemand so mit dir umgeht und wie kannst du am besten damit umgehen?

Diese Art sich einzuigeln, wenn eine empathische Person wie du berechtigte udn vorsichtige Kritik anbringt, ist eine Form der Machtausübung. Du wirst dabei deutlich und konkret unter Druck gesetzt. Das ähnelt einem 4 Jährigen, der die Luft anhält, wenn er nicht bekommt, was er braucht. Aus diesem Alter könnte das Verhalten auch stammen.

Er sieht dich dann nicht als gleichberechtigten Gesprächspartner, auf dem er in Augenhöhe spricht, sondern es wirkt so, als würde er dich als übermächtig wahrnehmen und genau deshalb versuchen, dich durch Zuneigungsentzug zu erpressen um dich kleiner zu machen. Es klingt nach einem Machtspiel. Typisch dafür ist, dass es keine Gewinner gibt, denn sowie man sich darauf einlässt, verlieren beide.

Wie kannst du nun damit umgehen? Am besten bleibst du ganz bei dir. Wenn er sich zurückzieht, lasse ihn. Es ist sein Leben und er darf es sich schwerer machen als notwendig. So lange er (oder du) seine Probleme nicht zu den deinen macht, bleibt alles im Lot. Vielleicht hilft es, wenn du ihm klar und deutlich spiegelst, wie er auf dich wirkt: "Ich habe dir erklärt, was mich an der Unzuverlässigkeit/dem Versetztwerden belastet und gehe davon aus, dass du mich da verstanden hast. Ich sehe, dass du dich gerade zurückziehst. Das okay. Es ist deine Entscheidung. Melde dich wieder, wenn du so weit bist."

Er ist ein erwachsener Mann. Versuche nicht mit "Engelsgeduld" auf ihn einzureden und ihn zu beschwichtigen. Wenn er sein Leben nicht selbst auf die Reihe bekommt, wirst du ihm auch nicht helfen können. Er hat kein Recht darauf, dich zu zerfleischen und dem kannst du ganz ruhig einen Riegel vorschieben. Bitterböse Vorwürfe hast du nicht verdient.

Das Leben ist kurz und schön. Wenn es in einer Freundschaft mehr Leid und Stress gibt, als Empathie und Gemeinsamkeiten, muss man sie nicht fortsetzen. Anhänglichkeit ist toll, wenn sie positiv ausgelebt werden kann. Das funktioniert mit diesem Freund überhaupt nicht. Es ist nicht deine Aufgabe, ihn zu retten.

Ich kenne so einen Fall umgekehrt. Ich habe einen Brieffreund, dem ich ab und zu mal ein paar ehrliche Worte schreiben muss, die er als persönliche Kritik versteht und worauf er äußerst empfindlich reagiert. Jedes mal. Dann zieht er sich tage-bis wochenlang zurück und ist stockbeleidigt. Ich kann das nur sehr schwer nachvollziehen, weil ich ein kritikfähiger Mensch bin, der konstruktive ehrliche Kritik eher als Wertschätzung empfindet.Natürlich achte ich auch darauf, wie ich meine Meinung formuliere...ich denke, es liegt an einer tiefsitzenden Kränkung aus der Kindheit dieser Person. Da wird jedes mal ein Schmerz wiederbelebt, der ansonsten mühsam verdrängt wird.

Ich kann nichts dafür, dass diese Person so kritikunfähig ist. Es ist nicht meine Schuld und nicht meine Verantwortung. Ich kann und will nicht alle ehrlichen Stellungnahmen weglassen, nur damit der andere sich nicht getroffen fühlt.

Also wie gehe ich damit um?

Ich konfrontiere diesen Menschen weiter mit meinen Meinungen (auch wenn immer das Risiko besteht, dass er es als Absage an die Freundschaft auffasst). Es ist SEIN Lernprozess, das Vertrauen zu entwickeln, dass ich ihn NICHT im Stich lasse, nur weil mir nicht alles 100%ig gefällt, was er sagt/tut.

Es ist ja nur ein vermuteter Mangel an Zuneigung. Tatsächlich hat sich ja gar nichts verändert. Theoretisch müsste der übersensible Mensch eine Therapie machen, in der er lernt wahrzunehmen, dass der andere in Wirklichkeit gar keinen Liebesentzug machen will, sondern dass es eine verzerrte Wahrnehmung ist, die diese vermeintliche Bedrohung auslöst.

DU kannst meiner Meinung nach gar nichts tun, außer immer wieder und immer weiter DA SEIN, Kontakt anbieten und aushalten, dass dieser teilweise abgelehnt oder bekämpft wird.

Rosenmary 
Fragesteller
 31.03.2020, 18:04

Danke für die empathische und ehrliche Antwort.

Ich kannte mal jemand, der so ähnlich war, der hatte eine soziale Anpassungsstörung und auch sonst massive psychische Probleme.

Es ist jetzt die Frage, wieviel dir die Freundschaft in der Waagschale mit diesem "Getue" wert ist.

Ich persönlich bin damals psychisch wegen diesem Hin und Her komplett an meine Grenzen gekommen und habe dann den Kontakt beendet.

Es muss ein Geben und Nehmen sein, in einer Freundschaft kann es schon mal sein, dass einer der beiden durch eine schwere Zeit geht und der andere ihn auffängt, aber wenn es komplett einseitig ist, dann nenne ich das "Energievampir".

Als der Kontakt dann von meiner Seite aus beendet wurde, habe ich eine Zeitlang gebraucht, um mich selbst davon zu erholen. Habe die "Freundschaft" danach nicht vermisst, sondern als ich aus der emotionalen Schiene raus war, habe ich endlich erkannt, dass ich komplett nur seelisch missbraucht wurde als Abfalleimer und es nur einseitig war. Es kam nie was zurück.

Bloß wenn man selbst dringhängt, sieht man das schlecht.

Gut zureden, egal wie sensibel man es tut, ist komplett sinnlos.

Hallo @ Rosenmary,
ich habe mir alle Beiträge hier durchgelesen. Psychische Probleme online zu klären, habe ich selbst nur bei einer Psychotherapie als erfolgreich erlebt. In Internetforen ergibt sich meistens so ein Hickhack wie hier.
Ich muss dir (leider) schreiben, dass dir der Begriff "Borderline" anscheinend nicht genau genug erklärt wurde. Irgendwoher hast du falsche Informationen bekommen, oder etwas falsch verstanden. Ich habe dir ein Video von einem Beziehungs-Coach herausgesucht, der viel Erfahrungen hat mit solchen Problemen wie deinem, und in einem kurzen Video den Begriff "Borderline" erklärt.

Desweiteren werfe ich die - vielleicht provozierende - Frage auf, ob das was dir an ihm als "lieb" erscheint, wahre Liebe zwischen Erwachsenen ist. Oder ist es eher das Bemühen eines emotional verletzten (inneren) Kindes, das ...

Ansonsten macht ER sehr viel für mich.

... sehr viel für Andere macht, um geliebt zu werden?
Wenn er ein bisschen "Kritik" hört, wird offenbar was unter der Oberfläche ist:
Zitat: ... sagt selbst, dass es um sein Selbstbewusstsein geht.
Es konnte sich kein Selbstwertgefühl bei ihm entwickeln. Die Ursache liegt vermutlich in seiner Kindheit, die sehr sehr lieblos war. Nun liebt er sich selbst nicht. Deshalb fühlt er sich bei der kleinsten "Kritik" verletzt. Und weil er seine Vergangenheit noch nicht therapeutisch aufgearbeitet hat, verhält er sich immer noch wie der emotional verletzte Junge, der er mal war. Das wird so lange so bleiben, bis er anfängt Selbstliebe zu üben, - und sich am besten psychotherapeutische Hilfe gönnt. Wenn er eine Beziehung auf der Ebene zwischen Erwachsenen möchte, muss er u. a. lernen, die Verantwortung für seine Emotionen zu übernehmen. So wie es jetzt ist, läuft eure Beziehung auf Kind-Ebene.

Ich wage noch einen Vorstoß. Was weißt du über deine Persönlichkeit? Es ist i. d. R. kein Zufall, wenn 2 Menschen sich zusammenfinden. Hast du schon mal etwas vom "Gesetz der Resonanz" oder "der gegenseitigen Anziehung" erfahren?

Rosenmary 
Fragesteller
 31.03.2020, 19:46

Ich habe mir das Video angesehen. Er hat keine Stimmungsschwankungen, er reagiert ausschliesslich auf Kritik so. Wutausbrüche, exzessives Trinken, Geld ausgeben usw macht e nicht. Er hat einen Job im Projektmanagement in der Rüstung und arbeitet da im Team. Er stellt sich da immer neuen Herausforderungen und Personen, arbeitet auch im Ausland und hat null Probleme, sich anzupassen. Er hatte vor mir eine 11jährige Beziehung. Er verletzt sich selbst nie und hält sich mit Sport und gesunder Ernährung fit.

Das Einzige was passt, ist dass er irgendwo Liebesentzug vermutet wenn man ihn kritisiert.

Was ich an ihm lieb finde... seine Zärtlichkeit, er kuschelt viel, er redet gerne über alles mit mir und sagt, das tut ihm so gut, er habe viele Freunde, aber dort drehe es sich immer um Party, Autos, Sport usw..

Mit mir kann er über die Arbeit reden, ein Thema, das seine Kumpels nicht interessiert. Er ist sehr auf beruflichen Erfolg aus, strengt sich an, macht viele Überstunden seit jeher.

Seine Eltern kenne ich nicht. Sie sind noch nicht sooo alt. Vater arbeitet im Vertrieb im Kaufmännischen Bereich, Mutter in der Verwaltung im med. Bereich. Er hatte ADS, war immer schon recht aktiv im physischen Bereich, hat sich beim Klettern mal verletzt usw.

In der Schule war er eher schlecht. Es brauchte mehrere Anläufe, bis er den Abschluss hatte, den er wollte, er war bei der BW, hat dort Titel bekommen und Teams geleitet. Parallel hat er studiert und mehrere Praktika gemacht, hat 2 Studienabschlüsse und nach einem Zeitarbeitsjob den ersten Festjob als Abteilungsleiter und Vorgesetzter bekommen. Das Metier lag ihm aber nicht und deshalb hat er in einen Konzern gewechselt, Projektarbeit, Reisen usw.

Er kommt dort gut im Team zurecht. Dort und auch in der alten Firma hat er sofort Freundschaft mit Kollegen geschlossen, die immer noch anhalten.

Er lebt auf dem Land und hat unzählige Freunde dort, ist jedes Wochenende fast unterwegs mit Freunden. Ist das Borderline?

Eigentlich müsste er stolz auf sich sein, ist es aber nicht. Ich weiss nur, dass er regelmässig zu seinen Eltern fährt und mir ist nicht bekannt, dass sie fies sein könnten.

Was ich aber weiss, ist dass er eine deutlich jüngere Schwester hat, der schulisch und beruflich alles zugeflogen ist und die in kürzester Zeit mehr erreicht hat als er. Er schildert öfter, dass es Gespräche gibt, wer welchen Dienstwagen, welche Schulung etc hat. Es gibt dort Konkurrenz. Seine Eltern sollen materialistisch sein. Der Status quo ist wichtig. Er wuchs unterm Schreibtisch des Vaters auf, während dieser im Haus im Büro arbeitete. Der Vater soll früher geboxt haben, über die Mutter weiss ich wenig.

Ich glaube, er leidet unter dem Erfolg der Schwester. Er war Hauptschüler und hat sich nach oben gekämpft. Er sagt nie nein bei Überstunden.

Rosenmary 
Fragesteller
 31.03.2020, 19:58
@Rosenmary

Vom Gesetz der Resonanz habe ich nichts gehört. Mein Vater starb früh, unsere Mutter hatte endogene Depressionen. Ich stand früh auf den eigenen Beinen und habe das Auf und Ab der Manien und Depressionen unsrer Mutter mitgemacht, habe versucht, ihr zu helfen, bis sie einen neuen Partner fand. Als junges Mädchen bin ich auf einige Bad Boys reingefallen, habe irgendwann die Maschen der Machos durchschaut und mich von diesem Typus Mann distanziert. Ich bin beruflich, erfolgreich, mehrmals aufgestiegen, weniger wegen Wissen, sondern durch Engagement, Organisation und Mitdenken. Alle Chefs haben eine hohe Meinung von mir. Beruflich und privat werde ich oft nach der Meinung gefragt, auch von Vorgesetzten und höher gestellten Personen (Verwaltung, Politik).

Ich habe spät geheiratet und ein Kind bekommen, nach einer Fehlgeburt. Meine Ehe lief nach der Geburt nicht mehr gut. Mein Exmann neigte immer mehr zu Egoismus und Cholerik. Ich habe mich getrennt, wir leben aber noch im selben Haus. Meine Mutter starb nach einem Monat Koma. Ich habe nach ihrem Tod mich um alles gekümmert. Werde von allen als stark eingeschätzt. Das war es auch, was meinen Freund letztlich auf mich aufmerksam machte. Er war fasziniert von meiner Stärke. Es war zunächst eine sexuelle Sache, Fetisch, BDSM, und endete in einer Freundschaft.

Ach so, Brustkrebs habe ich zwischendrin auch noch überlebt.

Man kann Jemanden lieb haben und trotzdem sauer auf ihn sein, das solltest du mal rüberbringen.

Auch dass Kritik an einem bestimmten Verhalten nicht gleichzusetzen mit Kritik an der Person an sich, ist.

Das Verhalten kann man verändern, seinen "Kern" nicht- und das ist es doch was du an ihm magst.

Wie Goodnight schon schrieb- Borderline könnte die Ursache sein. Ich hatte in einer anderen Frage von dir zum Thema ja Narzissmus vermutet.

Tatsache ist, dass diese Freundschaft für dich immer ein emotionaler und nervlicher "Eiertanz" bleiben wird, wenn er sich seinem Problem nicht stellt. Das wird dich extrem Kraft kosten, wenn du dir nicht ein "dickes Fell" zulegst. Du bist seine Freundin, nicht seine Therapeutin. Und ihn immer mit "Samthandschuhen" anzufassen, wird auch nichts an seinem Verhalten ändern.

Er muss sich sich selbst stellen!