Danke für deine Offenheit – und auch für die detaillierte Beschreibung, die sehr nachvollziehbar zeigt, wie sehr dich diese Symptome körperlich wie seelisch belasten. Was du schilderst, ist mehr als nur „ein bisschen müde“ – es ist das Gefühl, dass dein Körper dich im Stich lässt, ohne dass du verstehst, warum.
Zunächst: Es ist menschlich und verständlich, dass dein Kopf bei so diffusen Beschwerden irgendwann in die Angst rutscht. Und gerade wenn die medizinischen Befunde „unauffällig“ sind, fühlt man sich oft doppelt verloren – einerseits körperlich erschöpft, andererseits psychisch verunsichert.
Ein paar Gedanken aus psychologisch-körpertherapeutischer Perspektive:
- Ein erschöpfter Körper ohne klare Befunde heißt nicht „nur psychisch“ – sondern: komplex.
- Erfahrungen wie anhaltende Erschöpfung, Muskelschmerzen, Unruhe, Schlafprobleme und kribbelnde Gliedmaßen können psychosomatisch mitbedingt sein – müssen es aber nicht allein sein. Es lohnt sich, ganzheitlich hinzuschauen. Gerade Autoimmunprozesse, Post-Virus-Erkrankungen (z. B. EBV, COVID oder andere Infekte) oder stille Entzündungen können solche Symptome verursachen.
- Psychischer Stress kann körperliche Entgleisungen triggern.
- Wenn du über längere Zeit leistungsorientiert warst (Sport, Supplements, Funktionieren), dann kann ein infektbedingter „Energieknick“ eine Art Reset auslösen. Manchmal fährt der Körper dann das System so weit herunter, dass Regeneration und Aktivierung blockiert bleiben. Das kann sich anfühlen wie eine Mischung aus „körperlicher Depression“ und „innerer Alarmbereitschaft“.
- Eine psychosomatische Mitbeteiligung bedeutet nicht: „Es ist eingebildet.“
- Sondern: Dein Nervensystem ist überlastet. Wenn der Vagusnerv (der für Ruhe und Regulation zuständig ist) nicht mehr in Balance kommt, sind Muskelverspannung, Kribbeln, Schlaflosigkeit und Antriebslosigkeit typische Folgen. Das kannst du weder weglächeln noch mit Willenskraft bekämpfen.
Was kannst du konkret tun – zusätzlich zur medizinischen Abklärung?
– Nervensystem beruhigen: Sanfte Körperarbeit, z. B. Somatic Experiencing, Achtsamkeitsübungen (z. B. Bodyscan), oder tägliche Atemübungen (z. B. verlängertes Ausatmen) helfen, dein System zu regulieren.
– EMDR bei körperlich verankerter Angst: Auch wenn du „eigentlich keine Angststörung“ hast – EMDR kann helfen, körperlich verankerte Belastungsreaktionen (z. B. nach Infekten, bei Erschöpfung, nach unbewussten Schockerlebnissen) zu lösen.
– Systemische Aufstellung: Auch körperliche Beschwerden lassen sich aufstellen – manchmal zeigt sich dabei, dass der Körper etwas ausdrückt, das psychisch noch nicht formuliert werden konnte.
Und zuletzt: Wenn du den Eindruck hast, dass dein System nicht mehr „aus dem Alarmmodus“ kommt, sprich mit deinem Hausarzt auch mal über die Möglichkeit einer funktionellen somatischen Störung. Manchmal hilft schon die Anerkennung: „Ja, da ist etwas – und es braucht Zeit, Raum und vielleicht einen neuen Zugang, um sich zu lösen.“
Du bist nicht schwach, krank oder verrückt. Dein Körper kämpft – vielleicht nicht gegen etwas Sichtbares, aber spürbar ist es allemal. Und das verdient Begleitung, Verständnis und einen liebevollen Umgang – vor allem von dir selbst.