Nach einem Jahr noch immer traumatisiert - brauche ich professionelle Hilfe?

18 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Du wärst mit einem Gynakologen besser beraten als mit einem Psychologen... Nein, im Ernst. Entweder du hast die Eier oder du hast sie halt nicht. Nicht jeder Mensch ist fürs Fallschirmspringen gemacht und bei dir hab ich so meine Zweifel - du zerbrichst dir den Kopf zu sehr und risikofrei wird der ganze Spaß einfach nie sein. Bewusstlose Tandempassagiere kommen übrigens schon mal vor - das liegt daran, dass die Gurtzeuge anatomisch für den Durchschnittsmensch gemacht sind und bei manchen Menschen drückts dann halt so stark auf die Oberschenkelarterie, dass in Kombination mit der Aufregung, Temperatur, vielleicht noch wenig gegessen und den Kurvenkräften von der Schirmfahrt von Zeit zu Zeit die Licht ausgehen. Dass so etwas bei einem Solosprung passiert, hätte ich aber noch nie gehört.

Lg Ein Fallschirmspringer

NoHumanBeing 
Fragesteller
 09.04.2014, 17:02

;-)

Sind die Passagiergurtzeuge anders, als "normale" Gurtzeuge oder warum sollte so etwas nicht passieren können, wenn man "allein unterwegs ist"?

Gemäß Wikipedia (ich weiß, dass das keine verlässliche Quelle ist) scheinen die ganz normalen Gurtzeugen zu entsprechen. Ich zitiere ...


Das Passagiergurtzeug entspricht grundsätzlich einem normalen Fallschirmgurtzeug, nur ohne die Container für Haupt- und Reservefallschirm, die sich am Gurtzeug des Tandemmasters befinden.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Tandemsprung#Tandem-Fallschirm


Meinen Kollegen wundert es eben so sehr, dass gerade ihm so etwas passiert. Er ist allgemein sehr sportlich, geht regelmäßig ins Fitnessstudio, läuft viel (hat schon an einigen Stadtläufen teilgenommen mit 10 oder 21 km Distanz), fährt viel Rad (Mountainbike), etc. Und er hat eben im Gegensatz zu mir keine "Historie".

Gut, Laufen (auch bis 21 km, aber bislang immer nur "außer Konkurrenz" - "als Training", bzw. "zum Vergnügen") und Radfahren mach ich auch, aber ich glaub er spielt da schon noch in ner etwas anderen "Liga", als ich. An die Zeiten, die er läuft, komm ich derzeit nicht ansatzweise ran und auffm Rad hat er mich auch immer "zersägt". ;-)

Vielleicht war es aber auch nur ein dummer Zufall und das Gurtzeug war einfach "schlecht eingestellt". Das hab ich am Anfang auch zu ihm gesagt, in der Hoffnung, dass wir noch einen Versuch starten, aber für ihn ist es seit dem Vorfall eben aus und vorbei. Ich glaube nicht, dass er sich nochmal aus nem Flieger fallen lassen wird. Dass er, sehr sportlich, gut trainiert, ohne "Vorgeschichte", schon "hinschmeißt" (und er "überlegt" nicht mehr, für ihn ist's wirklich "aus" seit dem Tag), ist eben auch ein deutliches Zeichen für mich. Ich bin mir ziemlich sicher, wenn er nen Sprung wagen würde, würde ich es auch tun. Aber ich will ihm da auch nicht "reinreden", das ist seine Verantwortung.

Auch wenn sich das jetzt vielleicht ein bisschen so liest, als wäre ich nur "Mitläufer" und würde das Springen von ihm abhängig machen, möchte ich hier nochmals hervorheben, dass die Initiative von mir ausging und ich stets auch den stärkeren "Antrieb" hatte, als mein Kollege. Das hat mein Kollege auch mal zu mir gesagt.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 09.04.2014, 17:48
@NoHumanBeing

Was ich mir auch frage: Wenn wir mal davon ausgehen, dass ich wirklich "nicht dafür gemacht bin", wie Du es nennst, wieso reizt es mich dann derart?

Wobei ich auch sagen muss, dass, wenn man es ganz genau analysiert, mich eigentlich auch "nur" (oder zumindest vor allem) die Wingsuit reizt, nicht so sehr das Fallschirmspringen an sich. Das sehe ich eher als "notwendiges Übel", durch das ich durch muss, wenn ich so eine Suit mal fliegen will, wobei sich das Bild eventuell wandelt, wenn man tatsächlich springt und die verschiedenen Disziplinen kennen lernt. Als "Laie" denkt man sich eben erstmal: "Mmh 200 mal runterfallen. Oh man!" Aber ganz so ist es ja wahrscheinlich eher nicht. ;-)

(Was nicht heißen soll, dass ich die Mindestanforderung der 200 Sprünge als "Gängelei" empfinde. Mir ist bewusst, dass für diese Disziplin jede Menge Sprungerfahrung benötigt wird, auch wenn ein Ami mir mal gesagt hat, im Prinzip könnte man auch nach 50 Sprüngen schon ne Wingsuit anlegen, der Lernfortschritt sei vielleicht geringer, aber "heil runter kommen" würde man damit auch mit diesem Erfahrungsstand schon. Die 200 Sprünge sein eher eine "Formalität" und würden "Geld in die Kassen der Sprungplätze bringen". Ob da tatsächlich was dran ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass das Limit ursprünglich mal bei 500 Sprüngen lag und später, als die Trennsysteme für die Armflügel eingeführt wurden, auf 200 Sprünge herabgesetzt wurde.)

Aber die Suit reizt mich eben unglaublich stark. Vielleicht ist das auch der "Kern des Problems". Das Springen ist für mich hauptsächlich ein Risiko und "Voraussetzung", um danach etwas machen zu können, das mich tatsächlich so stark reizt, dass ich den Eindruck habe, dass es den Aufwand wert wäre. (Den Aufwand ja, aber das Risiko von 200 Sprüngen auch? Schon deutlich schwieriger zu beantworten. Schließlich muss ich das Risiko eingehen, bevor ich mein eigentliches Ziel erreicht, das heißt ich muss mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit "mit meinem Leben in Vorleistung gehen" wenn Du es so ausdrücken möchtest.) Aber auch daran habe ich bereits lange herum überlegt und die Wingsuit reizt mich eben nach wie vor und ich kann mich von diesem Gedanken auch nicht "trennen". Irgendwie treibt es mich dort hin und dazu "muss" ich nunmal springen, "ob ich will oder nicht" (überspitzt ausgedrückt).

Andererseits muss ich auch sagen, dass das Springen selbst mich auch zumindest "ein wenig" reizt. Die Tandemsprünge waren schon echt cool (Angst hat man vor allem im Flieger - beim ersten Sprung war erstmal mächtig "sensory overload" angesagt, zumindest die Schirmfahrt war aber echt genial - beim zweiten Sprung waren sowohl Freifall, als auch Schirmfahrt genial), die Windkanal-Erfahrung war noch viel cooler (weil man selbst die Kontrolle hat - beim Tandemsprung hat die ja der Tandemmaster) und wie genial es sich anfühlen wird, eine Wingsuit zu fliegen, kann ich mir nur erträumen.

MrBill01  09.04.2014, 21:56
@NoHumanBeing

Vergiss mal den ganzen Schwachsinn, den man so im Internet findet - das ist alles (gefährliches) Halbwissen, zum Teil noch nicht mal korrekt, das dir wesentlich mehr schadet als es dir nützt. Der ganze Blödsinn, der so auf Wikipedia steht bringt dir gar nix. Außerdem kannst du noch so viele Statistiken lesen - das ändert nichts an der Tatsache, dass halt eine gewisse Gefahr immer bleibt. Die einzig verlässliche Quelle beim Springen sind Leute, die sich tatsächlich auskennen (und auch hier sollte man mit etwas Hausverstand überlegen, wem man glaubt und wem nicht - im Endeffekt ist es dein Leben, das von den Entscheidungen abhängt, die du aufgrund dessen triffst, was du von Anderen gelernt hast).

Du kannst dich also entweder zum Kurs anmelden, das Geld dafür auf den Tisch legen, die Sache ausprobieren und im schlimmsten Fall, wenn du draufkommst, dass das wirklich nichts für dich ist, abbrechen und damit leben, dass du halt einen "kleinen" Betrag verloren hast, oder aber du lässt es gleich bleiben. Wenn du nicht bereit bist das Risiko einzugehen, wenn du nicht einfach ein gewisses Grundvertrauen in deine Lehrer und ins Material hast, hilft eh nix - der Sport ist dann halt einfach wirklich nichts für dich, egal wie gerne du es hättest. Da wird dir auch das Ausbildungspersonal nix anderes sagen. Ich seh im Jahr ungefähr 100-200 Leute die ihre Ausbildung machen, 10% davon seh ich nach dem Kurs nochmal wieder und von den 10% machen vielleicht nochmal 10% bis zur Lizenz bzw. ernsthaft weiter. Aber es ist der größte Traum eines jeden einzelnen Fallschirmspringer zu werden.... Im Endeffekt gehört halt doch etwas mehr dazu als es einfach nur zu wollen.

P.S.: Wenn du tatsächlich noch eine konkrete Frage hast, dann stell sie - aber kurz und bündig in 1-2 Sätzen. Ich hab wenig Lust mir absätzeweise philosophische Ausführungen durchzulesen.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 10.04.2014, 00:57
@MrBill01

Mit "ein bis zwei Sätzen" ist es bei diesem Thema eben leider nicht getan, da für mich nunmal so viel an dieser Entscheidung hängt (im Extremfall mein Leben).

Das Problem ist die Entscheidung (gut, das ist eine Nullaussage, denn das dürfte klar sein).

Fakt ist, ich war so lange überzeugt davon, dass ich springen wollte, bis ich meinen Kollegen bewusstlos unten ankommen sah. Es war definitiv genau diese Erfahrung, genau dieser Moment, der bei mir "eine Sicherung hat durchbrennen lassen". Wenn mein Kollege ohne Probleme unten angekommen wäre oder erst gar nicht auf einem Tandemsprung bestanden hätte oder von vornherein gar nicht hätte springen wollen, hätte ich mich für die Ausbildung (per AFF-Verfahren) angemeldet. Ob ich dabei geblieben wäre mag auf einem anderen Blatt stehen, aber ich hätte es versucht. Wenn mein Kollege es, trotz dieser Erfahrung, zu einem späteren Zeitpunkt noch versuchen würde, würde ich es auch versuchen. Ich habe versucht, ihn dazu zu bewegen, aber er ist auch "blockiert". (Er will jetzt auch in einen Windkanal gehen, aber ich habe wenig Hoffnung.)

Kann ich mir selbst gegenüber rechtfertigen, aufgrund einer "unglücklichen Verkettung von Umständen" (genau das ist es letztlich) die Sache aufzugeben, ohne es überhaupt wirklich versucht zu haben? Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll. Es macht keinen Sinn. Mich hat noch nie etwas so sehr gereizt, ich muss es zumindest versuchen, alles andere wäre "Betrug an mir selbst", zumal es keine stichhaltigen objektiven Gründe zu geben scheint, nicht zu springen.

Auf der anderen Seite kann ich aber auch mit der Angst, die dieser Vorfall in mir ausgelöst hat (die nicht einmal unbedingt bedeutet, dass ich Angst vor einem tatsächlichen Bewusstseinsverlust meinerseits hätte, es ist vielmehr ein "diffuses Gefühl", dass "irgendetwas schief gehen könnte", das lediglich den Auslöser im Bewusstseinsverlust meines Kollegen hat) nicht springen. Es ist, als hätte der Vorfall eine "Verletzung" in mir hervorgerufen, die einfach "nicht verheilt", nur dass diese eben nicht körperlicher, sondern psychischer Natur ist.

Die "Lösung" für mein Problem muss meines Erachtens eine Möglichkeit sein, die Angst, die durch die Ereignisse in mir ausgelöst wurden, wieder zu eliminieren, entweder vollständig oder zumindest soweit wie möglich. Es erscheint mir plausibel, dass die Angst nachlässt, wenn ich selbst springe und "Vertrauen in die Sache bekomme", aber ich werde nicht springen können, solange die Angst noch so stark ist. Und von selbst lässt sie nicht nach. Seit dem Vorfall ist ja inzwischen mehr als ein Jahr vergangen und es fühlt sich immer noch an, als wäre es gestern erst gewesen.

Die zentrale Frage muss also lauten: Was kann ich also tun, um die Angst wieder loszuwerden oder zumindest abzumildern, bevor ich die Lizenzausbildung aufnehme?

Zum Schluss hätte ich noch ein paar sehr "konkrete", "persönliche" Fragen an Dich: Seit wann springst Du, hast Du das Springen "konventionell" oder per AFF-Methode gelernt, wie viele Sprünge hast Du auf dem Buckel und hast Du auch "exotischere Sachen" wie Wingsuit gemacht?

Danke soweit.

MrBill01  10.04.2014, 08:37
@NoHumanBeing

Du kannst nichts gegen diese Angst tun - nicht jeder hat diese Angst so schlimm wie du, aber ich hab auch schon Schlimmeres mitgekriegt. Niemand macht den ersten Sprung angstfrei (und wenn das jemand behauptet, ist das ganz schlicht und einfach Blödsinn). Entweder du überwindest deine Angst (und nach 4-5 Sprüngen wirds erfahrungsgemäß besser), oder du lässt es bleiben. So einfach das klingt, so einfach ist es auch. Wie bereits gesagt, Eier brauchts schon zum springen. Hast du die nicht (und wenn ich mir deine Texte so durchlese kommen mir hier ernsthafte Zweifel), solltest du's mit einer anderen Sportart versuchen.

Ich springe seit ungefähr zwei Jahren, hab eine AFF Ausbildung gemacht und bisher ca. 500 Sprünge hinter mir (ist etwas über dem Durchschnitt für diesen Zeitraum im Sport). Eine Wingsuit bin ich noch nie geflogen, da mich bisher andere Sachen einfach mehr gereizt haben.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 10.04.2014, 12:37
@MrBill01

Dass man, vor allem am Anfang, nicht tatsächlich angstfrei springen kann, ist mir klar. Ich hatte auch mal gelesen, dass der Adrenalinausstoß vor und während des Sprungs auch bei erfahrenen Springern nicht wirklich geringer wird, sondern die lediglich "abstumpfen" gegenüber dessen Wirkung.

Die Frage ist, ob ich die "zusätzliche Angst", die durch den Vorfall bei mir "dazugekommen" ist (sozusagen zusätzlich zur "normalen Angst" oder "Respekt", die/den eine Person ohne diese "Vorerfahrung" bei einem solchen Sprung zeigt), wieder loswerden kann, oder nicht.

Wenn das tatsächlich nicht geht, sehe ich schwarz. Das "Angstlevel", das ich seit dem Vorfall habe, ist brutal. Dann sollte ich wohl eher daran arbeiten, mich damit abzufinden, dass es tatsächlich "nicht mehr geht", "Lebenstraum" hin oder her. Ein endgültiges "geht nicht mehr" scheint hart, wenn dies durch ein "zufälliges Ereignis" ausgelöst wird, aber wenn man mal ehrlich ist, es gibt Leute, die durch einen "Zufall" teils wirklich herbe Schicksalsschläge erleiden, da ist so etwas dann doch eher "lächerlich".

Danke.

Ich bezweifle, dass dir eine Therapie hier helfen könnte. Die Angst, die du hast, hat einen sehr realen Hintergrund und ist damit nicht zwingend als übersteigert oder unnormal einzuordnen.

Angesichts der Tatsache, dass du bereits mehrmals ohne ersichtlichen Grund ohnmächtig wurdest, habe ich eher Zweifel an der Tauglichkeitsbescheinigung als daran, dass eine gewisse Vorsicht mehr als angebracht wäre.

Du wirst in diesem Zusammenhang vermutlich auch Schwierigkeiten mit einer Kostenübernahme haben. Da das Ganze deiner Freizeitbeschäftigung gilt und - aus Sicht der Krankenkasse betrachtet - nicht für dein tägliches Leben notwendig ist (man kann auf Fallschirmspringen durchaus verzichten), kann es gut sein, dass sie ablehnt.

Letzten Endes wird dir also wohl die Entscheidung bleiben, deinen Traum zu leben - koste es, was es wolle - oder dich davon zu verabschieden.

Nach meiner Erfahrung mit Extremsport ist es das Ende, wenn man beginnt, Angst zu haben. Ein gewisser Respekt ist gesund und notwendig, aber Angst führt zu fehlender Entschlusskraft und damit zu Fehlern, die gefährlich werden können. Man tut in diesem Fall besser daran, die Finger davon zu lassen.

Ich habe 40-jährige Erfahrung im Motocross. Angst hatte ich nie, trotz vieler Stürze, Verletzungen und dem Miterleben schwerster Folgen bei anderen Bikern. Bis zu dem Tag, an dem ich bei einem simplen Trick, den ich hunderte Male gemacht hatte, stürzte. Ich verletzte mich noch nicht mal besonders schwer, aber irgendwie warf mich dieser Sturz so aus der Bahn, dass ich ab diesem Tag Angst bekam.

Ich versuchte noch 2 Jahre lang, sie wieder loszuwerden, aber es gelang mir nicht. Stattdessen handelte ich mich Stürze und Verletzungen ein, die mir vorher nie passiert wären. Das gute Gefühl, das ich in all den Jahren beim Biken hatte, kehrte nie zurück, und so hörte ich schließlich damit auf. Vergleichbares habe ich auch bei anderen Fahrern immer wieder erlebt: Sobald die Angst mitfährt, ist es vorbei.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 19.03.2014, 16:38

Hey Jule!

Danke für Deine Antwort.

Die Angst, die du hast, hat einen sehr realen Hintergrund und ist damit nicht zwingend als übersteigert oder unnormal einzuordnen.

Bist Du Dir da ganz sicher? Ich traue mich nicht mehr, zu springen, obwohl einem anderen etwas widerfahren ist. Wohlgemerkt mir ist bislang nichts außergewöhnliches passiert. Das hat für mich schon etwas "unnormales".

Angesichts der Tatsache, dass du bereits mehrmals ohne ersichtlichen Grund ohnmächtig wurdest, habe ich eher Zweifel an der Tauglichkeitsbescheinigung als daran, dass eine gewisse Vorsicht mehr als angebracht wäre.

Im Moment bin ich 25 Jahre alt, der letzte Vorfall diesbezüglich ist, wie bereits erwähnt, mindestens 8 Jahre her, damals war ich also 17. Ich habe schon von mehreren Seiten gehört, dass es nicht ungewöhnlich ist, als Jugendlicher Bewusstseinsstörungen zu haben. Das hat wohl etwas mit dem Wachstum zu tun, dass, laienhaft gesagt (ich bin kein Arzt, ich bin Informatiker) "das Herz dem Körper in Sachen Wachstum hinterher ist" und dann bei starker Last keine ausreichende Durchblutung erfolgt.

Es stimmt zudem nicht, dass es "keinen ersichtlichen Grund" dafür gab. Ich habe das Bewusstsein verloren ...

  • ... als wir von der Schule aus das ehemalige Konzentrationslager in Dachau besucht hatten.
  • ... als ein Kollege von mir sich eine Schnittwunde zuzog (kann kein Blut sehen).
  • ... beim Arzt, wenn ich Spritzen gesetzt bekommen habe.
  • ... in Prüfungssituationen.
  • ... nach Übermüdung, sehr starkem Alkoholkonsum (bin ich nicht stolz drauf, aber als Jugendlicher will man sich "ausprobieren") und Hitzeeinwirkung.

Ich habe nur gesagt, dass es keine zugrundeliegende Erkrankung gab.

Nach meiner Erfahrung mit Extremsport ist es das Ende, wenn man beginnt, Angst zu haben.

Na super, also ist es bei mir zu Ende, bevor es überhaupt wirklich begonnen hat oder wie? Das Problem ist eben, es reizt mich nach wie vor, ich denke ständig darüber nach und ich habe durchaus den Eindruck (und das haben mir andere auch bestätigt), dass die Angst "übersteigert" (irrational) ist. Mit mir ist körperlich alles in Ordnung, es ist seit Jahren nichts passiert. Ich treibe viel Sport (keinen Extremsport) und habe keine "ungewöhnlichen körperlichen Reaktionen" gezeigt.

Ich finde das ganze durchaus "übersteigert". Es ist, als würde ich meinem eigenen Körper misstrauen, weil er mich vor Jahren mal "im Stich gelassen hat". Es macht keinen Sinn. Ich bin nach allen sinnvollen medizinischen Definitionen gesund. Ich gehe auch wirklich nicht davon aus, dass ich das Bewusstsein verlieren werde, habe ich ja bei den zwei Sprüngen nicht und im Kanal auch nicht. Ich gehe wirklich nicht davon aus. (Und falls doch, dann gibt's AADs - dafür ist das Ding ja da. Die Dropzone fand das überhaupt nicht "ungewöhnlich", dass meinem Kollegen so etwas passiert ist, die reagierte mit: "So etwas passiert immer mal wieder." Wenn so etwas ohnehin nie passieren würde, würde man sich dagegen ja nicht "absichern". Man kann es also ohnehin nicht "vorhersehen". Sowas kann im Grunde jedem passieren.) Aber sobald ich mich davon "überzeugt habe", "weicht die Angst auf etwas anderes aus". Zum Beispiel darauf, dass der Schirm während der Ausbildung von einem Dritten (Techniker) gepackt wird und Du damit gewissermaßen Dein Leben in die Hände einer Person legst, die Du vermutlich noch nichtmal zu Gesicht bekommen wirst. Und dann kann ich mich davon überzeugen, dass diese Leute jahrelange Ausbildungen durchlaufen haben und wissen was sie tun und dass dabei auch nicht so wahnsinnig viel schiefgehen kann und dann habe ich trotzdem noch Angst. Die Angst ist nicht an ein konkretes Szenario "gekoppelt". Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Ich gehe nicht davon aus, dass ich das Bewusstsein verlieren werde, nur weil es vor Jahren mal passiert ist. Wie viel Zeit soll ich noch vergehen lassen, bis ich "meinem Körper wieder trauen kann"? Soll ich jetzt mein ganzes Leben lang damit rechnen, dass ich plötzlich ohne Vorwarnung umkippen kann? Also bitte!

Sorry, falls der Ton etwas "scharf klingt", dies soll keine Kritik an Dir sein. Ich möchte Dir hiermit nochmals sehr für Deine Antwort danken. Es dient nur der Verdeutlichung, weshalb ich der Meinung bin, dass die Angst irrational, oder wie Du es nennst "übersteigert", ist. Und ich möchte einen Traum, der mich seit nunmehr 5 Jahren nicht mehr loslässt, nicht "wegwerfen" wegen eines "dummen Gefühls". Ich möchte versuchen, das "dumme Gefühl" loszuwerden.

Wenn Du Vorschläge hast, was ich tun sollte, dann sage es mir. Denkst Du es ist ein guter Ansatz, öfter in den Windkanal zu gehen, um "Erfahrung mit dem Medium zu sammeln"? Sollte ich öfter Tandem springen, um "statistische Sicherheit zu sammeln", dass ich nicht bewusstlos werde? Kann ich anderweitig überprüfen, ob mein Körper den Belastungen standhalten würde? (Bei der Schirmöffnung wirken bis zu 5g. Piloten werden in Zentrifugen gepackt, um sie bezüglich "G's" zu testen.)

Jule59  20.03.2014, 15:06
@NoHumanBeing
Ich traue mich nicht mehr, zu springen, obwohl einem anderen etwas widerfahren ist.

Auf diese Art funktionieren Angststörungen durchaus. Ein großer Teil wird dadurch ausgelöst, dass einer anderen (oft nahestehenden) Person etwas Schlimmes widerfahren ist.

Eine Sicherheit, dass dein Körper nicht versagt, gibt es niemals. Auch dann nicht, wenn du keine Vorgeschichte hast und topfit bist.

Wenn dir Testläufe im Windkanal helfen, mach' sie. Auch sie werden dir - ebenso wenig wie Tandemsprünge - keine Garantie dafür geben, dass nichts passiert. Es gibt beim Fallschirmspringen ja auch noch ein paar andere Risiken :). Und die Spielchen mit dem Wingsuit sind nochmal eine ganz andere Kategorie.

Ganz grundsätzlich ist Konfrontation immer ein probates Mittel, um Ängste loszuwerden. Wenn es dir nach den nächsten 10 Sprüngen aber immer noch nicht deutlich besser geht, solltest du loslassen.

Sorry, falls der Ton etwas "scharf klingt"

Kein Problem :). Ich frage mich nur, wen du mit deiner Argumentation eigentlich überzeugen willst - ich will ja weder springen, noch dir das Springen ausreden :).

NoHumanBeing 
Fragesteller
 20.03.2014, 17:27
@Jule59

Auf diese Art funktionieren Angststörungen durchaus. Ein großer Teil wird dadurch ausgelöst, dass einer anderen (oft nahestehenden) Person etwas Schlimmes widerfahren ist.

Da haben wir es wieder: Angststörungen. Also ist meine Angst doch "abnorm", sonst würden wir ja hier nicht von einer "Störung" sprechen.

Eine Sicherheit, dass dein Körper nicht versagt, gibt es niemals. Auch dann nicht, wenn du keine Vorgeschichte hast und topfit bist.

Das weiß ich. Sicherheit gibt es niemals im Leben. Ich kann auch in dem Moment, in dem ich dies schreibe, plötzlich tot vom Stuhl fallen.

Das Risiko, bei einem Fallschirmsprung ums Leben zu kommen, liegt gemäß DFV-Statistik von 2012 (soweit ich weiß gibt es noch keine Statistik von 2013 und wenn doch, dann habe ich sie noch nicht ausgewertet) bei 1 zu 66'280. Das Risiko, innerhalb eines beliebigen 24-Stunden-Intervalls zu versterben, also sozusagen das "allgemeine Lebensrisiko", liegt bei etwa 1 zu 39'100. Diese Zahl habe ich selbst durch Regressionsrechnung aus Datenmaterial (Sterbetafeln) es Statistischen Bundesamtes (Stand 2011) errechnet. Diese Zahl ist also keine "offizielle Zahl", basiert aber auf Material des Statistischen Bundesamtes.

Und die Spielchen mit dem Wingsuit sind nochmal eine ganz andere Kategorie.

Solange ich nicht mit B.A.S.E. anfange (was ich nicht vorhabe) sind sie das nicht wirklich.

Das Springen mit dem Wingsuit aus dem Flugzeug ist nicht deutlich gefährlicher als Fallschirmspringen ohne den Anzug. Die Chance von Verdrehungen des Fallschirms nach der Schirmöffnung ist zwar durch die Flügelfläche zwischen Armen und Beinen erhöht, dafür wird der Fallschirm beim Wingsuitfliegen im Regelfall 500m höher geöffnet (1500m anstatt 1000m).

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Wingsuit#Flugleistungen_und_Sicherheit

Kein Problem :). Ich frage mich nur, wen du mit deiner Argumentation eigentlich überzeugen willst - ich will ja weder springen, noch dir das Springen ausreden :).

Dein Text klang durchaus so, als wolltest Du das. Im Grunde sagtest Du ja, sobald ich einmal Angst hätte, bräuchte ich es gar nicht mehr versuchen, nachdem es Dir beim Motocross auch nur Ärger eingebracht hätte und Du das bei vielen anderen auch so erlebt hättest.

Noch eine Sache bezüglich des Tauglichkeitsattests.

Ich habe ebenfalls meine Zweifel, ob die Tauglichkeitsuntersuchung wirklich etwas nützt, da sie doch sehr "oberflächlich" erfolgt. Die meisten Dinge werden nur "abgefragt" (Anamnese), das heißt entweder Du weißt bereits von anderen Untersuchungen von Deinen Erkrankungen oder sie werden überhaupt nicht entdeckt. Im Grunde ist es nur eine "Formalität". Du bist danach im Prinzip so schlau wie vorher.

Seitens des Fallschirmsportverbands (DFV) ist wohl auch keine weitergehende Untersuchung "erwünscht", da der Verband festgelegt hat, dass ein "durchschnittlicher Gesundheitszustand" zum Fallschirmspringen ausreichend ist. Nunja, ich bin ein junger Mensch und meine "nennenswerteste" Erkrankung ist eine Herzrhythmusstörung (Extrasystolen), die nur durch Zufall durch einen Kardiologen im Rahmen einer Untersuchung auf erblich bedingte Hypertonie (weil das in meiner Familie prävalent ist) entdeckt wurde. Die Untersuchung ergab "keinen Behandlungsbedarf". Insbesondere wurde auch festgestellt, dass die Herzrhythmusstörung ungefährlich sei.

Sogar Personen mit insulinpflichtiger Diabetes mellitus dürfen fallschirmspringen. Für diese Personen ist lediglich, aufgrund des erhöhten Risikos der Unterzuckerung und damit verbundenem möglichen Bewusstseinsverlust, die Verwendung eines "Öffnungsautomaten" (AADs) zwingend vorgeschrieben. Da die Verwendung eines AADs, abgesehen von wenigen speziellen Disziplinen, in denen eine automatische Schirmöffnung ein enormes Risiko darstellen würde, ohnehin auf so ziemlich allen deutschen Sprungplätzen vorgeschrieben ist, macht das faktisch keinen Unterschied.

Die lassen wirklich Hinz und Kunz springen. Ob das "in Ordnung" ist, sei mal dahingestellt, aber dagegen sind meine sporadischen Bewusstseinsstörungen wirklich äußerst harmlos.

Was für mich aber das stärkste Argument ist, ist die Tatsache, dass sie schon so lange zurückliegen und dass keine organische Ursache festgestellt wurde. Bewusstlosigkeit ist keine Krankheit, es ist lediglich ein Symptom. Das kann viele Ursachen haben, manche davon sind gefährlich, andere eher nicht. Oftmals ist es aber auch einfach das "Überschießen einer normalen körperlichen Reaktion", das zu vorübergehender Bewusstlosigkeit führen kann. Das kann, je nach Situation, trotzdem gefährlich werden, hat aber dann keinen Krankheitswert.

Bei einem Fallschirmsprung wird natürlich viel Adrenalin freigesetzt. Adrenalin ist auch ein Vasodilatator, deshalb kann dabei paradoxerweise der Blutdruck abfallen (!!). Die G-Kräfte tun dann ihr übriges. Wie kann ich herausfinden, ob ich dafür "anfällig bin"? Muss ich das wirklich machen, indem ich oft springe? Diese Methode klingt nicht sehr objektiv und zuverlässig.

Jule59  20.03.2014, 21:21
@NoHumanBeing

ich bin kein Fallschirmprofi, ich könnte dir nur was übers Biken erzählen :).

Ich höre aus deinen engagierten Zeilen heraus, wie gerne du springen möchtest. Letzten Endes wird dir aber nur die Entscheidung bleiben, es einfach zu tun - oder eben nicht.

Und wenn ich schreibe, dass aus meiner persönlichen Erfahrung heraus der Verstand nicht immer gegen die Angst ankann und Risiken erhöht, musst du dennoch für dich selbst herausfinden, wie das bei dir ist. Abenteuer besteht man nicht, indem man ihre Risiken und Nebenwirkungen seziert, sondern indem man sie erlebt :).

Genau das ist es aber, was ich meinte: Wenn man grübelt, statt zu agieren, ist der Zug meist abgefahren.

Vielleicht kann es noch als Entscheidungshilfe sein, für dich persönlich deine starke Motivation zu hinterfragen. Vielleicht ist es wirklich dein Traum. Vielleicht ist es aber auch nur der Wille, dir zu beweisen, dass du es kannst? Letzteres ist auch nicht selten und meist ziemlich ungesund.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 20.03.2014, 23:33
@Jule59

Ich denke meine Motivation ist vor allem unglaublich starke Neugierde. Ich habe 2009 zum ersten Mal davon gehört, dass es so etwas gibt und dachte mir sofort: "Mich würde mal interessieren, wie sich so ein Ding fliegt."

Ich habe dann ab März 2012 Forschung im Bereich der Strömungsmechanik betrieben und schon kam alles wieder. Die ganze Thematik, insbesondere Aerodynamik, Fliegen, etc., finde ich hochgradig interessant. Ich kann strömungsmechanische Probleme berechnen, aber ich möchte wissen, wie es sich anfühlt, wie es reagiert, wie es sich verhält.

Ob es mir gefallen wird, ob ich es unter Kontrolle haben werde, das kann ich jetzt noch nicht wissen, aber ich möchte zumindest ein Mal so ein Teil selbst fliegen, einfach um der Erfahrung willen. "Damit ich nicht dumm sterben muss" plump gesagt. ;-)

Wenn ich ein Video wie "Dream Lines IV" sehe (obwohl das B.A.S.E. ist, was nicht mein Ziel ist, aber die Aufnahmen sind unglaublich genial) oder Flüge von "FlyLikeBrick" (das ist nicht B.A.S.E.), bekomme ich Gänsehaut. Nicht vor Angst, sondern weil es so unglaublich schön aussieht. Der Flug, die Landschaft, einfach alles. Und ich denke mir: Wahnsinn! Was wäre das für ein Gefühl, wenn Du eines Tages in diesem Anzug stecken würdest?

Wenn ich dann herausfinden sollte, dass es wider Erwarten doch nichts für mich ist, dann höre ich eben wieder auf. Wenn es mir gefällt, dann mache ich weiter. Aber ich möchte es wissen. Es reizt mich so sehr, es zu wissen.

Das ist auch eines der größten "Probleme" die ich habe. Mein Ziel ist es, zu wissen, wie sich eine Wingsuit fliegt, weil etwas in mir ist, das mir sagt, dass es mir gefallen wird. Aber um dies in Erfahrung bringen zu können, muss ich vorher das Risiko von mindestens 200 Freifallsprüngen eingehen, denn das ist die Grundvoraussetzung, bevor ich zum ersten Mal eine Wingsuit anlegen darf. Ich muss also den allergrößten Teil des Risikos gehen, bevor ich überhaupt mein Ziel erreiche. Und wenn ich vorher verunfalle, dann habe ich "doppelt verloren". Dann habe ich mein Leben verloren und wusste bis zum Ende nicht, wie es sich anfühlt, eine Wingsuit zu fliegen.

(Sorry, ich muss grad innehalten, meine Gefühle überwältigen mich gerade.)

Je länger ich aber warte, desto wahrscheinlicher wird es, dass dieses Szenario (gestorben, ohne dass er eine Wingsuit fliegen konnte) eintreten wird.

Was mir sehr wichtig ist festzuhalten: Meine Motivation ist keinesfalls "Selbstdarstellung".

Bis zum 12. Oktober 2012, also etwa 3 Jahre lang, habe ich zu diesem Thema ausschließlich selbst recherchiert und mir Gedanken gemacht. Erst an diesem Tag fragte ich meinen Kollegen, ob er mitmachen wolle, weil ich mir dachte, es sei "lustiger", die Sache zu zweit anzugehen. Ich bat ihn, niemandem davon zu erzählen und tat dies auch selbst nicht, schon allein, weil ich nicht wollte, dass sich Angehörige Sorgen machen.

Als wir am 19. Mai 2013 sprangen, wusste dies (abgesehen von Personal bei der Dropzone) nur er und ich. Auch danach, als meine Probleme begannen, blieb die Sache weiter unter uns beiden. Ich bat meinen Kollegen, mit niemandem außer mir darüber zu sprechen.

Am 1. Juli 2013, also etwa eineinhalb Monate nach dem Zwischenfall, hielt ich dem Druck nicht mehr stand, die Meinung einer weiteren Person einzuholen und bat meinen engsten Freund, dem ich bedingungslos vertraue, mit dem ich über alles spreche und der auch mit mir über alles spricht, um Rat. Er sah ebenfalls nicht, dass etwas dagegen spricht, dass ich springen sollte.

Als ich am 24. August 2013 erneut sprang, wussten dies nur wir drei und das Dropzone-Personal.

Nachdem auch dies nicht half und ich die Geheimhaltung als Belastung empfand, begann ich am 28. September 2013 eine "Politik der Offenheit". Ich erzählte meinen Angehörigen und guten Freunden von meinem Vorhaben. Meine Angehörigen wollten mich natürlich davon abhalten. Letzten Endes bin ich trotzdem überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war, die Geheimhaltung aufzugeben. Es hat einen großen Teil des Drucks von mir genommen und ich kann nun im Prinzip mit jedem offen über dieses Thema sprechen, wenn ich es möchte.

Außerdem, aber das kann weder der Auslöser für mein Vorhaben, noch für meine Probleme gewesen sein, denn dieser Zusammenhang fiel mir erst viel später wieder ein (zu dem Zeitpunkt, zu dem ich mit meinen Angehörigen über meine Pläne sprach), hatte ich einen älteren Bruder, dessen größter Traum ebenfalls das Fliegen war. Er konnte ihn sich allerdings nicht erfüllen, denn er ist 1997 im Alter von 19 Jahren durch einen Unfalltod ums Leben gekommen. Der Unfall hatte allerdings absolut nichts mit seinem Traum zu tun. Und bevor jetzt absurde Vermutungen aufkommen. Ich möchte definitiv nicht "sterben, um bei ihm zu sein", denn ich bin überzeugter Atheist und felsenfest davon überzeugt, dass es mit dem Tod endgültig vorbei ist und es kein "Leben nach dem Tod", in welcher Form auch immer, gibt. Ich möchte definitiv nicht sterben.

Jule59  21.03.2014, 14:25
@NoHumanBeing
Er konnte ihn sich allerdings nicht erfüllen, denn er ist 1997 im Alter von 19 Jahren durch einen Unfalltod ums Leben gekommen.

Könnte dieses tragische Ereignis dich nicht darin bestärken, einfach die Angst loszulassen und zu springen? Es zeigt doch mehr als deutlich, dass es zu jeder Zeit Gelegenheiten gibt, ums Leben zu kommen und dass man das letzten Endes nicht in der Hand hat.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 21.03.2014, 23:04
@Jule59

Ich bin mir dessen durchaus bewusst, deswegen finde ich es ja so paradox.

Trotzdem sollte ich meinen Willen, zu springen, vermutlich nicht auf ein negatives Ereignis fundieren.

Und es "hilft" auch nicht. "Rational betrachtet" sehe ich es auch so, dass ich "nichts zu verlieren habe", denn sterben werde ich auf jeden Fall, ob ich springe oder nicht, das hatte ich ja unten bereits festgestellt. "Rational betrachtet" habe ich nichts zu verlieren, weil ich ohnehin nicht "gewinnen kann". Ich kann nur "früher verlieren" oder "später verlieren".

Aber Deinem Unterbewusstsein ist das egal. Das ist evolutionär optimiert und will Dich erhalten, ob es "Sinn macht" oder nicht. Da der Mensch relativ lange Generationszyklen und relativ wenige Nachkommen hat, war es für den Fortbestand der Art erforderlich, die einzelnen Individuen zu erhalten. Bei anderen Arten, z. B. Bienen, war es das nicht. Die haben kein Problem damit, sich zu "opfern", solange der "Staat" fortbesteht. Beim Menschen war eine solche Taktik eben nicht "erfolgsverprechend". Drum haben wir diesen dermaßen starken (in diesem Fall eben "zu starken") Überlebenstrieb.

Es ist definitiv Angst, die mich abhält, aber es ist auch Angst, die mich antreibt. Die Angst, die Gelegenheit zu verpassen. Die Angst davor, diesen Traum aufgeben zu müssen. Letztere hatte ich übrigens sogar schon, bevor ich Angst vorm Springen hatte.

Ich sehe eine Parallele zwischen dem, was mich "blockiert" hat und dem, was Dich vom Motocross-Fahren abgebracht hat. Es war ein Ereignis, mit dem wir nicht gerechnet haben. Du bist gestürzt, nicht als Du ein waghalsiges, neues Manöver ausprobiert hast, sondern bei einem Manöver, in dem Du absolut routiniert warst. Und ich hatte mich so lange mit dem Thema Fallschirmspringen und Wingsuitfliegen beschäftigt, dass ich mit vielem gerechnet hätte und für vieles schon Pläne zurechtgelegt hatte, was ich tun würde, wenn dies passiert oder jenes. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass mein Kollege das Bewusstsein verlieren wird. Es hat mich wirklich überrascht.

Wie ich die Angst wieder loswerde, weiß ich wie gesagt nicht. Ich "probiere nur herum", teste was geht, was ich mich traue, und ob es etwas bringt. Auch wenn es natürlich schonmal gut ist, die Meinung eines Extremsportlers zu haben, wäre es natürlich super, wenn ein erfahrener Springer hier antworten würde. Vielleicht habe ich dieses Glück ja noch.

Eine Sache, die mich verunsichert, ist, dass sie die Sportspringer bereits am zweiten Tag springen lassen, das heißt es gibt effektiv einen Tag ("offiziell" eineinhalb Tage) Bodenausbildung, bevor man das erste Mal selbst springt.

Ich kenne jemanden, der vor ewigen Zeiten beim Bund mitbekommen hat, wie die Ausbildung der Fallschirmjäger abläuft (oder zumindest wie sie damals ablief) und der hat mir erzählt, dass die massenhaft Ausbildung durchlaufen, bevor sie das erste Mal springen und dann springen sie mit zwangsausgelöstem Schirm (letzteres wird im Sportbereich teilweise auch angeboten, ist aber eine veraltete Ausbildungsmethode, bei der statistisch auch mehr Unfälle passieren - würde ich definitiv nicht wollen, direkt freifallen halte ich schon für richtig). Das Vorgehen der Ausbilder im Sportbereich bezeichnet er als "unseriös". Ich habe auch so meine Zweifel, ob man nach eineinhalb Tagen schon springen kann.

Aber deswegen gehe ich ja in den Windkanal. Damit ich weiß, dass ich "freifallen kann", bevor ich tatsächlich selbst aus einem Flugzeug springen muss. Dann ist es "nur noch" die Landung, die "auf Anhieb klappen muss". Die Schirmfahrt ist wohl recht unspektakulär, solange man einigermaßen die Übersicht im Luftraum behält, damit man nicht mit anderen Springern kollidiert. Als Schüler fliegt man ja keine "aggressiven" (schnellen = kleinen) Kappen.

Aber am besten könnte mir natürlich jemand sagen, wie die Ausbildung abläuft (so prinzipiell weiß ich es natürlich schon - mindestens 25 Sprünge bis zum Lizenzerhalt - erste 3 mit 2 Ausbildern, nächste 4 mit 1 Ausbilder, restlichen 18 "allein", höchstens Funk vom Boden aus - die letzten zwei sind die offiziellen Prüfungssprünge), wie "seriös" die ist und wie man sich dabei "fühlt", der das ganze Prozedere schon hinter sich hat. ;-)

Noch eine Sache bezüglich Motocross bei Dir. Ich möchte Dir nicht zu nahe treten, aber Du schreibst Du hattest 40 Jahre Erfahrung. Wann hast Du angefangen? Ich schätze mal so mit 20 rum ist ein typisches Alter. Dann 40 Jahre Erfahrung ...

Leistungssportler hören typischerweise Mitte 30, spätestens Ende 30 auf. Du schreibst selbst das Crossfahren ist Extremsport. Vielleicht war es auch einfach an der Zeit. Vielleicht war der Sturz dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat und dann war es aus. Das ist natürlich nur eine Hypothese.

Jule59  22.03.2014, 15:34
@NoHumanBeing
Wann hast Du angefangen? Ich schätze mal so mit 20 rum ist ein typisches Alter. Dann 40 Jahre Erfahrung …

Ich habe mit 13 meine erste Enduro gefahren. Zu damaligen Zeiten (ich bin 1959 geboren), hat es zumindest auf dem Land kaum jemanden interessiert, ob man das "durfte" oder nicht. Ich kam mit den Füßen nicht auf den Boden und musste Techniken entwickeln, trotzdem zurechtzukommen.

Ich behaupte rückblickend, dass ich zwischen meinem 13. und 18. Lebensjahr (mit 16 hatte ich dann den ersten Führerschein) beim Heizen durch Feld, Flur, Steinbruch und Kiesgrube den größten Teil meines Urvertrauens in mein Geschick erworben habe - und eine große Sicherheit in Sachen Balance und Gefühl für die Maschine.

Ich bin immer nur hobbymäßig gefahren, wobei ich zwischen 20 und 30 sehr aktiv war. Allerdings hatte ich auch noch diverse andere Hobbys :).

Motorrad fahre ich immer noch, aber mit den Tricks ist es seit dem besagten Sturz vor 6 Jahren (da war ich 48) vorbei.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 22.03.2014, 17:54
@Jule59

Ok verstehe.

Dass Du immer noch fährst macht mir große Hoffnung. ;-)

Wie gesagt, ich werde ja (zumindest erst einmal) keine Kunststücke in der Luft vollbringen, sondern logischerweise zunächst einmal die Lizenzausbildung durchlaufen.

Beim ersten Sprung springst Du in 4000 m raus, fällst senkrecht nach unten, machst drei "Scheingriffe" (greifst zum Griff, der den Hauptschirm öffnet, betätigst ihn aber nicht - das musst Du machen, um den Ausbildern zu zeigen, dass Du das Ding greifen kannst, ohne instabil zu werden), fällst ne Weile, dann wieder drei "Scheingriffe", bei 2000 m gibst Du Zeichen für "no more", ab dort verbleibt Dein Blick auf dem Höhenmesser, bei 1700 m gibst Du Zeichen für "wave off", das ist die Ankündigung an Springer in Deiner Umgebung, dass Du gleich öffnen wirst, bei 1500 m machst auf.

Du fällst mit etwa 50 m/s (ich glaube im Windkanal waren's bei mir 45 m/s, aber beim Springen hast ja noch den Schirm drauf, der wiegt ja doch einiges, da fällst wohl schneller), das heißt vom Exit bis zum "no more" sind's etwa 40 Sekunden (oder 44, wenn man berücksichtigt, dass Du am Anfang erst beschleunigst ;-) ), dann noch 6 Sekunden bis zum "wave off", dann noch 4 Sekunden bis Du öffnest. Lizensierte Springer öffnen so zwischen 800 und 1000 m, die können also nochmal 10 bis 14 Sekunden "länger fallen".

Zwischendurch musst Du auch immer wieder die Höhe ablesen und zu den Ausbildern "herüberrufen" (als ob die während des freien Falls irgendwas verstehen würden - kann ich Dir garantieren tun sie nicht ;-) - die wollen wohl nur sehen, dass Du "irgendwas kurzes sagst, dann wird das schon ne Höhenangabe gewesen sein" - wenn Du nix sagst wissen sie "der weiß nicht, wie hoch er grad ist oder hat grad anderweitig 'sensory overload'" ;-) ).

Mit der Zeit werden die "Sprungaufträge" natürlich immer komplexer. Insgesamt musst Du ja mindestens 25 mal springen bis zum Ende der Lizenzausbildung und da lernst Du dann Dinge wie:

  • Drehungen
  • Salti
  • Tracking (also vorwärts/rückwärts fliegen)
  • Exit als Dive (also, laienhaft gesagt, "Hechtsprung aussm Flieger raus" ;-) )

Diese Dinge sind standardisiert und werden Dir noch innerhalb der ersten 7 Sprünge beigebracht. Was Dir sonst noch so beigebracht wird, hängt soweit ich weiß weitgehend vom Ausbilder ab. Ich glaube er muss Dich mit mindestens zwei verschiedenen Öffnungssystemen haben springen lassen und drei der Sprünge müssen aus niedrigeren Absetzhöhen erfolgt sein, aber ansonsten hat er wohl recht weitgehende "gestalterische Freiheit" was die konkreten Sprungaufträge angeht.

Das wichtigste ist wohl, dass ich nen stabilen Exit machen kann, dass ich während es Falls keine Panik schiebe, nicht "vergesse, auf die Höhe zu achten" (klingt paradox, aber passiert beim Springen wohl immer mal wieder, dass Leute "vergessen zu ziehen" ;-) - dieses Szenario fängt das AAD natürlich genau so ab, wie einen handlungsunfähigen Springer, der nicht mehr ziehen "kann" - aber das AAD ist eine reine "Backup-Maßnahme" - Du solltest immer so springen, dass Du es nicht brauchst ;-) - das Ding hat auch keine Zuverlässigkeit von 100 %, sondern eher so ~95 % ;-) ) und, insbesondere am Schirm, einigermaßen Überblick in Luftraum habe. Der Rest sind Dinge, für die Du vielleicht ein paar Sprünge an die Ausbildung anhängen musst, wenn sie nicht klappen, weil Deine Ausbilder sagen "der ist noch nich so weit", die Dich aber nicht in Gefahr bringen sollten. ;-)

Und dafür geht's eben im Moment in den Kanal. Da kann ich schonmal sehr viel ausprobieren und wenn ich da drinnen "abstürze", dann ziehe ich mir vielleicht ne Prellung zu, verstehst? ;-)

(Ich bin sogar schon einmal drinnen "abgestürzt", ist absolut gar nichts passiert, außer dass ich ohne Hilfe nicht mehr in die "Fluglage" kam, weil der Luftstrom mich gegen die Wand gedrückt hat und ich mich dementsprechend nicht mehr "hinlegen" konnte. Fand der Instructor wohl ziemlich lustig, hat auf jeden Fall erstmal gegrinst und mich dann nach einigen Sekunden "vergeblichen Versuchen, von der Wand wegzukommen", einem überaus "interessanten" Zeichen an den Controller außen, über dessen tatsächliche Bedeutung ich nur spekulieren kann und einem "Calm-Down"-Zeichen an mich dort "weggezogen". ;-) Es war wohl gar nicht so schlecht, diese Erfahrung so früh - gleich innerhalb der ersten Minuten - zu machen, denn dann wusste ich zumindest, dass nichts schlimmes passiert.)

Der Windkanal hat ja sogar eine zusätzliche Schwierigkeit, weil Du sehr "exakt" fliegen musst. Bewegst Dich nen Meter in irgendeine Richtung und klatscht gegen die Wand. Wenn Du hingegen "draußen" im Freifall ein paarhundert Meter "abgetrieben wirst", merkst Du das vermutlich überhaupt nicht. Also ich denke der Windkanal ist wirklich ein sehr sehr gutes Freifalltraining und ich denke, dass mir das auch einiges an "Sicherheit" geben wird. Der Freifall ist ja die Phase, wo Du den stärksten Adrenalinausstoß haben wirst. Kann nicht schaden, das vorher zu beherrschen, um Ruhe zu bewahren.

Jule59  23.03.2014, 13:47
@NoHumanBeing

Meine abschließende Einschätzung: Du redest und erklärst und erklärst und redest. Du hebelst jeden Impuls von außen aus, indem du 1001 Gründe findest, warum das nicht so sein kann und darf.

Die Motivation dahinter ist mir nicht wirklich klar. Aber: Zum gelösten, angstfreien Springen wirst du auf diese Weise nicht kommen, denn du blockierst alles, was dir möglicherweise helfen könnte, wenn du es an dich ranlassen würdest.

Deine Angst davor, nicht zu springen, scheint beinahe größer als die Angst vor dem Springen.

Du möchtest nicht hören, dass das Springen unter diesen Umständen keine gute Idee ist. Gleichzeitig findest du unzählige Argumente, warum du nicht springen willst, sondern lieber im Windkanal rumzockelst.

Ich persönlich frage mich, warum du das Springen unbedingt erzwingen willst. Der "große Traum" scheint nach all dem, was ich von dir lese, eher eine fixe Idee.

Springen wirst du nur, wenn du ins Flugzeug steigst und springst. Und Sinn machen tut das wiederum nur, wenn du dabei Spaß hast.

Alles andere erscheint mir in höchstem Maße unsinnig.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 23.03.2014, 16:15
@Jule59

Die Motivation dahinter ist mir nicht wirklich klar.

Ok, dann versuche ich es Dir mal zu erklären.

Deine Angst davor, nicht zu springen, scheint beinahe größer als die Angst vor dem Springen.

Dein Eindruck ist hier wohl richtig. Ich kann nicht akzeptieren, dass es "vorbei sein sollte" wegen eines zufälligen Ereignisses. Wegen eines Ereignisses, das mich gar nicht betrifft, sondern eine andere Person.

Die Überlegung, die ich immer wieder anstelle, ist folgende: Wenn mein Kollege am 19. Mai nicht gesprungen wäre, wäre ich vergangenen Sommer gesprungen. Das kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, weil ich mich noch an das Gefühl erinnere, das ich hatte, nachdem die Freifallphase (während der Du nicht so wirklich "nachdenkst" ;-) ) vorbei war, ich aber noch nicht wusste, was meinem Kollegen passiert war, weil ja weder wir, noch er, gelandet waren. Es war, als hätte ich etwas gefunden, nach dem ich mein ganzes Leben lang gesucht hätte. Es hatte mich sowas von "gebissen". Und dann natürlich der Gedanke daran, wie es wohl erst einmal sein würde, eine Wingsuit zu fliegen, was ja mein eigentliches Ziel war.

Nachdem mein Kollege gelandet war dann der herbe Rückschlag. Ich warte einige Monate, denke mir, dass Distanz gut tut, "die Zeit heilt alle Wunden", doch nichts. Es ist heute noch so, als wäre es gestern passiert.

Doch ich habe allen Grund, anzunehmen, dass mit mir soweit, zumindest körperlich, alles in Ordnung ist. Ich will diesen Traum nicht abschreiben, weil ich keinen Grund dafür sehe, der mich wirklich überzeugt. Ich sehe vielleicht Indizien, aber das reicht mir nicht, um eine Sache aufzugeben, an der ich schon so lange hänge.

Du möchtest nicht hören, dass das Springen unter diesen Umständen keine gute Idee ist. Gleichzeitig findest du unzählige Argumente, warum du nicht springen willst, sondern lieber im Windkanal rumzockelst.

Das stimmt nicht so ganz. Wenn ich eine Aussicht darauf hätte, wie ich "diese Umstände" beseitigen könnte, dann würde ich sie definitiv zuerst beseitigen und dann erst springen. Dabei würde ich mich natürlich sehr viel wohler fühlen. Aber wenn das nicht geht, was soll ich machen? Ich will die Sache nicht abschreiben, weil sie für mich so ein großer Traum ist, auch wenn Du das nicht glauben magst. Du hast Deine Motocross-Geschichte doch auch nicht sofort in den Sand gesetzt. Gut, Du warst schon wesentlich länger dabei, aber im Grunde solltest Du doch dann eigentlich wissen, welches Gefühl das ist, das einen "nicht loslassen lässt".

Der Windkanal ist im Moment der beste Ansatzpunkt, da ich hier den kritischsten Teil, in dem der stärkste Adrenalinausstoß stattfinden wird und in dem, vor allem bei Anfängern, absoluter "sensory overload" herrscht, den Freifall, trainieren kann, ohne Angst um mein Leben haben zu müssen. Hier kann ich alle Eventualitäten testen und mich davon überzeugen, dass ich die Situation beherrsche, bevor ich tatsächlich mein Leben auf's Spiel setze, indem ich aus einem Flugzeug springe.

Ich persönlich frage mich, warum du das Springen unbedingt erzwingen willst.

Weil ich ein rational denkender Mensch bin und sehe, dass der Vorfall am 19. Mai körperlich an mir nichts verändert hat, allenfalls geistig. Und das sollte sich auch wieder mit "geistigen Mitteln" korrigieren lassen, weshalb ich ja auch den Vorschlag einer Therapie nicht unbedingt unplausibel fand, obwohl ich allgemein von solchen Methoden nicht sonderlich viel halte.

Der "große Traum" scheint nach all dem, was ich von dir lese, eher eine fixe Idee.

Das stimmt definitiv nicht. Fliegen ist ein Menschheitstraum. Ich denke bereits so lange darüber nach und kann mich davon definitiv nicht trennen. Es ist definitiv der größte Traum meines Lebens, ich habe noch nie in meinem Leben etwas so sehr gewollt, wie eines Tages mal so eine Suit fliegen zu können und wenn damals nichts passiert wäre, dann würde ich diesen Traum schon längst leben. Und deswegen habe ich auch, wie Du es richtigerweise sagst, "Angst davor, nicht zu springen". Ich befürchte, dass meine Zeit irgendwann vorbei ist und ich nicht gesprungen sein werde, aus einer Angst heraus, die ich selbst als irrational empfinde und dieses Szenario kann ich nicht akzeptieren. Ja, das ist definitiv auch eine Form von Angst. Und ja, sie ist auch nicht unbedingt weniger stark, als die Angst vor dem Sprung.

Springen wirst du nur, wenn du ins Flugzeug steigst und springst. Und Sinn machen tut das wiederum nur, wenn du dabei Spaß hast. Alles andere erscheint mir in höchstem Maße unsinnig.

Da hast Du natürlich Recht, nur bin ich im Moment davon überzeugt, dass es mir nach den ersten eigenen Sprüngen, wenn ich einigermaßen Vertrauen in die Angelegenheit habe, Spaß machen wird. Die Frage ist eben, wie ich mich dazu überwinden kann, das erste Mal selbst zu springen. Ich denke wenn mir das gelingt, habe ich "gewonnen".

Jule59  23.03.2014, 21:54
@NoHumanBeing
Die Frage ist eben, wie ich mich dazu überwinden kann, das erste Mal selbst zu springen.

Hingehen, einsteigen, springen. Angst setzt immer zwei Optionen im Organismus frei: Angriff oder Flucht.

Du entscheidest.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 23.03.2014, 22:37
@Jule59

Hingehen, einsteigen, springen. Angst setzt immer zwei Optionen im Organismus frei: Angriff oder Flucht. Du entscheidest.

Also gehst Du nun doch nicht davon aus, dass ich die Angst loswerden muss, bevor ich springen sollte, sondern dass ich trotz der Angst springen muss, um sie überhaupt loswerden zu können.

Jule59  24.03.2014, 17:14
@NoHumanBeing

Ich bin von Anfang an der Meinung, dass es unter den gegebenen Umständen überhaupt keinen Sinn macht, zu springen. WENN es denn aber unbedingt sein muss, führt der Weg am ehesten über Konfrontation.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 24.03.2014, 17:52
@Jule59

Wir kommen der Sache näher, aber so ganz durchdrungen habe ich es immer noch nicht.

Ich bin von Anfang an der Meinung, dass es unter den gegebenen Umständen überhaupt keinen Sinn macht, zu springen.

Heißt das ich werde nie mehr springen können in meinem Leben (quasi, als hätte ich mir am 19. Mai 2013 eine "Verletzung" zugezogen, die "nicht mehr verheilt", nur dass diese "Verletzung" eben nicht körperlicher, sondern psychischer Natur ist) oder heißt das ich sollte/muss zuerst die Umstände ändern?

Falls letzteres: Wie könnte ich die Umstände ändern?

WENN es denn aber unbedingt sein muss, führt der Weg am ehesten über Konfrontation.

Und wie sollte diese Konfrontation Deiner Meinung nach aussehen?

Das Windkanal-Training ist es ja Deines Erachtens offenbar nicht, das mich weiterbringen wird (auch wenn ich das anders sehe - es ist zwar keine Konfrontation im eigentlichen Sinne, aber ich denke es wird mir einen großen Teil der Angst nehmen, wenn ich vor meinem ersten eigenen Sprung bereits weiß, dass ich den Freifall beherrschen werde, aber gut - Du gehst offensichtlich nicht davon aus, dass es etwas nützt).

Sind Deines Erachtens weitere Tandemsprünge ausreichend "Konfrontation", sodass ich dies tun sollte, bis die Angst nachlässt und erst dann alleine springen?

Oder denkst Du, dass ich mich tatsächlich entscheiden muss, ob ich trotz der Angst selbst springen und mich damit in unmittelbare Gefahr begeben oder aufhören will?

Jule59  24.03.2014, 18:14
@NoHumanBeing
Oder denkst Du, dass ich mich tatsächlich entscheiden muss, ob ich trotz der Angst selbst springen und mich damit in unmittelbare Gefahr begeben oder aufhören will?

Ja.

aber ich denke es wird mir einen großen Teil der Angst nehmen, wenn ich vor meinem ersten eigenen Sprung bereits weiß, dass ich den Freifall beherrschen werde,

Das Risiko einer Ohnmacht (worum es ja wohl im Ausgangsposting ging) hat rein gar nichts mit der "Beherrschung des Freifalls" zu tun. Den kannst du im Schlaf beherrschen und wirst damit das Ohnmachtsrisiko bei einem echten Sprung nicht ausschließen können. Demzufolge ist das ganze Rumgeeiere nutzlos.

Ich denke, du hast Angst vor dem Springen selbst. Die Angst vor dem Kontrollverlust könnte da insgesamt ein Thema sein.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 24.03.2014, 21:57
@Jule59

Ja.

Endlich ein klares Wort! Danke! :-)

Das Risiko einer Ohnmacht (worum es ja wohl im Ausgangsposting ging) hat rein gar nichts mit der "Beherrschung des Freifalls" zu tun. Den kannst du im Schlaf beherrschen und wirst damit das Ohnmachtsrisiko bei einem echten Sprung nicht ausschließen können. Demzufolge ist das ganze Rumgeeiere nutzlos.

Ausschließen werde ich es nicht können, aber verringern. Ich selbst fand es natürlich zunächst paradox, dass mein Kollege ausgerechnet bei einem Fallschirmsprung, wo man ja davon ausgehen kann, dass massenhaft Adrenalin freigesetzt wird, das den Kreislauf normalerweise hochfahren sollte, ohnmächtig wurde, denn ohnmächtig wirst Du ja (abgesehen von Ursachen wie Unterzuckerung oder Sauerstoffmangel) bei Minderdurchblutung des Gehirns, insbesondere bei arterieller Hypotonie, also wenn der Blutdruck zu weit abfällt.

Allerdings bestätigte mir jemand, der als Sanitäter arbeitet, dass dies durchaus vom Adrenalin, unter Umständen im Zusammenspiel mit den G-Kräften, kommen kann. Ich umreiße einmal schnell den Wirkungsmechanismus, den er vermutet.

Adrenalin hat vor allem zwei Wirkungen auf den Kreislauf. Zum einen bewirkt es eine Steigerung der Herzfrequenz. Dadurch wird die Auswurfleistung des Herzens und damit der Blutdruck erhöht.

Zum anderen ist Adrenalin aber auch ein Vasodilatator, das heißt es weitet die Blutgefäße und vergrößert somit ihren Querschnitt. Aus der Physik wissen wir: Druck ist Kraft geteilt durch Fläche. Bei gleichbleibender Auswurfleistung des Herzens verhält sich der Blutdruck umgekehrt proportional zur Oberfläche der Gefäßwände, das heißt durch die zunehmende Vasodilitation fällt der Blutdruck ab.

Diese beiden Wirkungen überlagern sich nun. Solange der Adrenalinpegel relativ gering ist, überwiegt der Effekt der gesteigerten Herzfrequenz und der Blutdruck steigt mit zunehmendem Adrenalinpegel an. Von einer Ohnmacht keine Spur. Das ist genau, was wir erwarten würden. Dann gibt es aber irgendwo einen "break even point" und wenn wir den überschreiten, dann überwiegt der Effekt der Vasodilatation und der Blutdruck fällt mit zunehmendem Adrenalinpegel wieder ab. Die Herzfrequenz steigt weiter an (sofern sie das noch kann), doch diese Steigerung wird durch die Vasodilatation überkompensiert. Je nachdem, wie hoch der Adrenalinpegel steigt, kann der Blutdruck dabei wieder weit unter den Normalwert fallen, so weit, dass man das Bewusstsein verliert.

Das mag nun sehr hypothetisch klingen, aber es deckt sich mit meiner Erfahrung. Keine der Situationen, in denen ich das Bewusstsein verloren habe, war von besonderer Ruhe und Gelassenheit geprägt. Im Gegenteil! Ich habe das Bewusstsein im Grunde stets in Stresssituationen verloren. In Prüfungssituationen, während der Besichtigung eines ehemaligen NS-Konzentrationslagers, wenn mir nahestehende Personen sich Verletzungen zugezogen haben. Ich hatte die Situationen ja oben bereits beschrieben. Wenn Du meine Beiträge lesen würdest, wüsstest Du das auch. Je sicherer ich mir bin, dass ich keine Fehler machen werde (zumindest keine, die mich in Gefahr bringen könnten), desto weniger Stress wird bei mir auftreten, desto weniger Adrenalin wird ausgestoßen werden (es wird immer noch jede Menge sein, aber vielleicht nicht mehr so viel, dass ich über den "break even point" komme) und desto eher werde ich bei Bewusstsein bleiben.

Ich denke, du hast Angst vor dem Springen selbst. Die Angst vor dem Kontrollverlust könnte da insgesamt ein Thema sein.

Ja, ich denke da liegst Du richtig. Das hatte ich aber auch bereits so geschrieben.

Ich gehe auch wirklich nicht davon aus, dass ich das Bewusstsein verlieren werde, habe ich ja bei den zwei Sprüngen nicht und im Kanal auch nicht. Ich gehe wirklich nicht davon aus. [..] Aber sobald ich mich davon "überzeugt habe", "weicht die Angst auf etwas anderes aus". [..] Und dann kann ich mich davon überzeugen [..] und dann habe ich trotzdem noch Angst. Die Angst ist nicht an ein konkretes Szenario "gekoppelt".

Ich habe Angst vor dem Springen selbst, nicht nur (aber wohl auch) vor einem möglichen Bewusstseinsverlust meinerseits. Aber der Auslöser dafür war definitiv der Bewusstseinsverlust meines Kollegen. Vor diesem Ereignis war ich mir so sicher, dass ich mich direkt (ohne zuvor Tandem gesprungen zu sein) zur Lizenzausbildung angemeldet hätte. Das tat ich nur nicht, weil mein Kollege zunächst Tandem springen wollte und ich nicht "eine Erfahrung ärmer sein wollte, als er". Natürlich hatte ich Respekt vor dem Springen, aber wirkliche Angst habe ich erst seit dem Vorfall mit ihm.

Wenn Du meine Beiträge richtig lesen würdest, wüsstest Du das übrigens alles schon. Deswegen habe ich wohl auch den Eindruck, dass Du Dir selbst ständig zu widersprechen scheinst. Du scheinst überhaupt nicht zu lesen, was ich schreibe.

Jule59  24.03.2014, 22:33
@NoHumanBeing
Du scheinst überhaupt nicht zu lesen, was ich schreibe.

Das tue ich durchaus. Du bist aber anscheinend nicht in der Lage, Aussagen zu akzeptieren, die deine eigenen Vorstellungen nicht bedienen. Du laberst und laberst und gibst den Erklärbaren. Und rennst dabei nur immer wieder vor der Entscheidung weg.

Aus dir wird niemals ein Springer. Und damit ziehe ich mich aus diesem Dialog - in dem ich mir übrigens wirklich Mühe gegeben habe, dich zu unterstützen - zurück.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 24.03.2014, 23:03
@Jule59

Und damit ziehe ich mich aus diesem Dialog - in dem ich mir übrigens wirklich Mühe gegeben habe, dich zu unterstützen - zurück.

Das hast Du anfangs wirklich, aber dann hast Du begonnen, Dir zu widersprechen, das ist das Problem. Tut mir Leid, aber damit kann ich nichts anfangen.

Du liest auch überhaupt nicht, was ich schreibe. Ich habe oben die 5'000 Zeichen ausgenutzt, Du zitierst daraus eine Zeile und schreibst dazu drei Sätze. Du lässt ständig alle relevanten Punkte unkommentiert, anstatt auch nur ansatzweise darauf einzugehen. Natürlich hilft mir das nicht weiter. Tut mir Leid.

Du hast vielversprechend angefangen, aber letztlich habe ich nicht das Gefühl, dass Du mir guten Rat gegeben hast, weil Du einfach überhaupt nicht auf meine Probleme eingehst. Du pickst Dir aus 50 Sätzen einen heraus und zum Rest schreibst Du einfach nichts. Ich bin jetzt im Prinzip so schlau wie vorher.

Aus dir wird niemals ein Springer.

Wenn Du meinst ...

NoHumanBeing 
Fragesteller
 24.03.2014, 23:36
@NoHumanBeing

Die Angst, die du hast, hat einen sehr realen Hintergrund und ist damit nicht zwingend als übersteigert oder unnormal einzuordnen. Angesichts der Tatsache, dass du bereits mehrmals ohne ersichtlichen Grund ohnmächtig wurdest, habe ich eher Zweifel an der Tauglichkeitsbescheinigung als daran, dass eine gewisse Vorsicht mehr als angebracht wäre.

--> Negativaussage.

Nach meiner Erfahrung mit Extremsport ist es das Ende, wenn man beginnt, Angst zu haben. Ein gewisser Respekt ist gesund und notwendig, aber Angst führt zu fehlender Entschlusskraft und damit zu Fehlern, die gefährlich werden können. Man tut in diesem Fall besser daran, die Finger davon zu lassen.

--> Negativaussage.

Wenn dir Testläufe im Windkanal helfen, mach' sie.

--> Positivaussage und Du sagst "Geh in den Windkanal, wenn es Dir hilft!", was es tut, also sagst Du im Grunde "Geh in den Windkanal!".

Ganz grundsätzlich ist Konfrontation immer ein probates Mittel, um Ängste loszuwerden.

--> Positivaussage.

Wenn es dir nach den nächsten 10 Sprüngen aber immer noch nicht deutlich besser geht, solltest du loslassen.

--> Negativaussage.

Ich höre aus deinen engagierten Zeilen heraus, wie gerne du springen möchtest.

--> Positivaussage.

Wenn man grübelt, statt zu agieren, ist der Zug meist abgefahren.

--> Negativaussage.

Vielleicht ist es wirklich dein Traum. Vielleicht ist es aber auch nur der Wille, dir zu beweisen, dass du es kannst? Letzteres ist auch nicht selten und meist ziemlich ungesund.

--> Negativaussage.

Könnte dieses tragische Ereignis dich nicht darin bestärken, einfach die Angst loszulassen und zu springen? Es zeigt doch mehr als deutlich, dass es zu jeder Zeit Gelegenheiten gibt, ums Leben zu kommen und dass man das letzten Endes nicht in der Hand hat.

--> Positivaussage.

Deine Angst davor, nicht zu springen, scheint beinahe größer als die Angst vor dem Springen. Du möchtest nicht hören, dass das Springen unter diesen Umständen keine gute Idee ist. Gleichzeitig findest du unzählige Argumente, warum du nicht springen willst, sondern lieber im Windkanal rumzockelst. Ich persönlich frage mich, warum du das Springen unbedingt erzwingen willst. Springen wirst du nur, wenn du ins Flugzeug steigst und springst. Und Sinn machen tut das wiederum nur, wenn du dabei Spaß hast. Alles andere erscheint mir in höchstem Maße unsinnig.

--> Negativaussage und Du sagst "Das mit dem Windkanal ist eine Schnappsidee!". Ja was denn? Oben warst Du noch der Ansicht, ich sollte es tun, wenn ich der Ansicht sei, dass es mir hilft, was ich bin.

Ich bin von Anfang an der Meinung, dass es unter den gegebenen Umständen überhaupt keinen Sinn macht, zu springen.

--> Negativaussage.

Aus dir wird niemals ein Springer.

--> Negativaussage.

Vielleicht merkst Du jetzt, was ich meine. Deine Meinung scheint sich recht sprunghaft zu ändern. Ich habe den Eindruck, dass Du keinen Rat geben, sondern Verwirrung stiften willst. Du wirfst mir vor, ich würde "alle Impulse abblocken". Welchem Impuls soll ich denn "nachgeben", wenn sie ständig aus einer anderen Richtung kommen?

Wenn Du auf meine Probleme nicht eingehst, sondern sie noch verstärkst, ist das kein Rat. Das einzige, was Du erreicht hast, mit dieser Diskussion ist, mich weiter zu verunsichern. Jetzt kann ich ein paar Wochen warten, bis sich das ganze "setzt" und ich mir wieder sicher werde, dass ich tatsächlich springen will und dann bin ich wieder am Ausgangspunkt, dass ich mich fragen werde, ob mir dabei etwas passieren wird oder nicht. Letztlich kann ich das nur evaluieren, indem ich es teste und dafür, und um mir Sicherheit zu geben, waren der Windkanal und die Tandemsprünge gedacht.

Ich verstehe Deine Motivation wirklich nicht. Wenn Du mir sagst, ich muss es riskieren, direkt zu springen, dann solltest Du mich zumindest soweit aufbauen, dass ich nicht das Gefühl habe, einen riesigen Fehler zu begehen. Aber dazu lässt Du es ja nicht kommen. Du sagst mir ja zwischendurch mindestens zehnmal, dass ich doch nicht springen sollte. So kann ich natürlich keine Sicherheit gewinnen. Ich weiß wirklich nicht, was das soll.

Was ist Dein Ziel?

Mein Ziel ist klar definiert. Es lautet, erst wieder angstfrei zu werden, zumindest so angstfrei, wie ich es vor dem 19. Mai 2013 war (damals wollte ich die Lizenzausbildung aufnehmen, ohne überhaupt einmal vorher Tandem gesprungen zu sein), und anschließend zu springen.

galois  25.03.2014, 02:51
@NoHumanBeing

Lassen Sie es gut sein! Es ist doch mehr als offensichtlich, dass Jule59 Ihnen nur zu gern das Wort im Munde umdrehen möchte. Sie müssen sich nicht rechtfertigen. Er hat den Gesprächsverlauf in dieser Form provoziert, nicht Sie!

Du fokussierst auf das, was du nicht willst anstatt auf das was du willst. Ändere deinen Fokus auf dein Ziel (fühle dich jeden Abend in der Wingsuit durch die Lüfte schweben) und die Blockade löst sich von selber auf.

Mit Hilfe eines Psychologen wirds ein bisschen schwieriger sein dein Ziel zu erreichen, denn die klassische Psychotherapie meint, sich mit der Blockade selber auseinandersetzen zu müssen, wonach diese -meines Erachtens- allenfalls gleich bleibt bzw. sich noch verstärkt (Energy flows where attention goes).

RoteSamtrobe  31.03.2014, 19:59

...wenn du dich dabei ertappst, wie deine Gedanken beim der Vorstellung des Ziels auf das nicht Erwünschte (z.B. den ohnmächtigen Freund) abdriften, atme tief durch und lege den Fokus wieder auf das Bild, in dem du dich durch die Lüfte schweben siehst. Mach die Visualisierungsübung aber nur, wenn du dich gut fühlst und keinesfalls wenn du gerade eine schlechte Nachricht bekommen oder einen Streit hattest. Auf gar keinen Fall darf die Übung "anstrengend" sein. Viel Erfolg!

NoHumanBeing 
Fragesteller
 31.03.2014, 20:43
@RoteSamtrobe

Ich sehe in Deinem Profil, dass Du offenbar selbst Fallschirmspringer bist (hast "Skydiven" unter Hobbies angegeben). Vielleicht kannst Du zur "fachlichen Seite" noch etwas sagen.

  1. Jule59 hat ja z. B. gesagt, er hätte (Zitat) "eher Zweifel an der Tauglichkeitsbescheinigung als daran, dass eine gewisse Vorsicht mehr als angebracht wäre". Wie siehst Du das ganze? Mir kommt das ganze auch sehr nach einer "Formalität" vor und ich würde nicht viel Vertrauen in dieses Attest legen. Allerdings treibe ich regelmäßig Sport (keinen Extremsport, eher Ausdauersport) und es ist, wie bereits erwähnt, seit 8 Jahren nichts passiert, auch nicht unter körperlicher Belastung. Irgendwann muss ich meinem Körper ja mal wieder "vertrauen", auch wenn er mich vor langer Zeit ab und an "im Stich gelassen hat".

  2. Wie schätzt Du das Risiko in diesem Sport allgemein ein? Es wird immer gesagt es sei "nicht hoch". Statistisch gesehen liegt das Risiko eines tödlichen Unfalls irgendwo zwischen 1 zu 50'000 und 1 zu 100'000 pro Sprung (1 zu 66'280 Stand 2012 gemäß DFV-Unfallstatistik).

  3. Am meisten Kopfzerbrechen bereitet mir die Tatsache, dass ich, soweit ich weiß, während der Ausbildung mein Leben in die Hände eines Dritten lege, da es sich ja um Mietequipment handelt und beide Schirme von einem Dritten (Techniker) gepackt werden. Mir ist bewusst, dass diese Leute Ausbildungen durchlaufen und "wissen was sie tun". Trotzdem ist es ein furchtbarer Gedanke, dass ich schlimmstenfalls durch den Fehler eines Dritten mein Leben verlieren könnte. Wie gehst Du damit um? Bekommt man den Techniker jemals zu Gesicht? Kann man ihm eventuell sogar beim Packen "auf die Finger schauen"? Oder bekommt man da wirklich "anonym" ein Stück Equipment ausgehändigt, auf das man sich dann verlassen muss?

  4. Mal den worst-case angenommen, ich verliere bei einem Sprung tatsächlich auf dem Weg nach unten das Bewusstsein. Die Ausbilder können einen Schirm auslösen, indem sie am Gurtzeug des Schülers einen Auslösegriff ziehen, soweit klar. (Welchen würden sie in einem solchen Fall eigentlich ziehen? Haupt- oder Reserveschirm? Ich vermute mal Reserve, da die ein zuverlässigeres Öffnungsverhalten haben wird. Der Vorteil im Hauptschirm liege ja darin, dass man ihn im Falle einer Fehlöffnung abtrennen und die Reserve öffnen könnte. Da ein Bewusstloser dazu nicht in der Lage sein wird, gehe ich mal davon aus, dass sie den Reserveschirm auslösen würden, richtig?) Spätestens aber in 225 m AGL wird das AAD feuern und die Reserve öffnen. (Ich hatte mal gelesen das AAD hätte eine Zuverlässigkeit von ~95 %, was nicht an der Elektronik liegt, sondern daran, dass der Cutter die Loop nicht immer zerschnitten bekommt. Gehen tatsächlich ~5 % der AAD-Aktivierungen "daneben"?) Dann hänge ich ohne Steuerungsmöglichkeiten unter einem Schirm. Wie wahrscheinlich ist es, dass ich die Landung überleben werde? (Ich könnte nicht steuern, somit evtl. Hindernislandung, ich könnte nicht flaren, ...) In welcher Größenordnung wären Verletzungen zu erwarten, wenn eine solche Landung überlebt wird?

Danke.

(Ich bin froh, dass endlich ein Fallschirmspringer hier antwortet. :-) )

RoteSamtrobe  31.03.2014, 21:06
@NoHumanBeing

Wenn du springen willst, dann entwickle Freude am Springen und spring.

Wenn du nicht springen willst, dann suche Argumente, dass Fallschirmspringen gefährlich ist und überleg dir, wovor du Angst haben könntest - du wirst viele Gründe finden - und springe nicht.

Das ist der Kern des "Problems" mit dem du dich auseinandersetzen musst. Vergiss deine ganzen Fragen bzw. diesen ganzen Thread und stell dir nur die eine Frage: Will ich oder will ich es nicht. Alles andere ergibt sich.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 01.04.2014, 00:10
@RoteSamtrobe

Muss ich die Frage, ob ich "will oder nicht", nicht auf rationale Argumente basieren? Meine "Gefühlswelt" ist ja seit dem Vorfall "durcheinander".

Vorher dem "Unfall" meines Kollegen gab es nichts, außer diesem unglaublich starken Willen, eines Tages einmal eine Wingsuit zu fliegen. Wie ich dort hinkommen würde, war mir zunächst einmal egal. Ich hatte ein klares Ziel, kannte den grundsätzlichen Weg und für jedes Szenario, das mir damals eingefallen wäre (Kollege hat keine Lust zu springen, ich werde nicht für tauglich befunden, ich selbst klappe dort oben zusammen, ...) hatte ich einen Plan, was ich tun würde.

Und dann passiert etwas, womit ich nicht gerechnet habe.

Und schon war die Angst da. Auf der einen Seite habe ich nun Angst davor, dass ich beim Springen verunglücken könnte. Nicht einmal unbedingt davor, dass ich das Bewusstsein verlieren könnte, sondern allgemein vor allem, das irgendwie schiefgehen könnte. Diese Angst ist es, die mich seither davon abhält, zu springen.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch etwas, das mir das Gefühl gibt, springen zu "müssen". Ich weiß nicht, ob ich es noch "Motivation" nennen kann. Das war es vielleicht einmal. Jule59 hatte gewissermaßen schon Recht, als er/sie (?) schrieb: "Deine Angst davor, nicht zu springen, scheint beinahe größer als die Angst vor dem Springen." Wenn ich es genau betrachte, habe ich inzwischen in der Tat auch Angst davor, "nicht zu springen", genauer gesagt Angst davor, dass etwas passieren könnte, das mich daran hindern könnte, zu springen. Angst davor, dass ich mir eine Verletzung oder Erkrankung zuziehen könnte, die mich die Tauglichkeit kosten könnte. Angst davor, dass ich so lange zögere, bis ich zu alt zum Springen bin und mich dann ärgere, dass ich meinen Traum in den Sand gesetzt habe. Angst davor, dass sich meine finanzielle Situation verschlechtert und ich mir das Springen nicht mehr leisten könnte. Angst davor, dass ich durch etwas anderes sterben könnte, bevor ich springen konnte. Diese Angst ist es, die mich davon abhält, den Gedanken ans Aufgeben auch nur zuzulassen.

Eine dieser beiden Ängste muss ich nun loswerden und meines Erachtens kann das nur die erste sein, da sie ein "Artefakt", etwas "künstliches" ist. Sie hat ihre direkte Ursache in den Ereignissen vom 19. Mai 2013. Ohne diese Ereignisse gäbe es sie gar nicht. Und ohne diese Ereignisse wäre ich auch längst gesprungen.

Du willst aus Flugzeugen springen, hast aber Angst davor?

Versteh mich nicht falsch, aber... "First World Problems" trifft es ganz gut. ;-))

Da Fallschirmspringen nun wirklich was ist, das man ohne nennenswerte Einschränkungen vermeiden kann, glaube ich kaum, dass die Kasse dir da einen Psychologen bezahlen wird.

Als Privatvergnügen kannst du natürlich einen Psychologen zu Rate ziehen. Wobei ich mich frage, was du dir davon erhoffst. Eine gewisse Angst vorm freien Fall ist ja nun keine Krankheit, sondern ganz normal und gesund. Abnorm ist bestenfalls, dass sie mit der Routine nicht weniger wird. Aber du hast ja bisher kaum Routine...

NoHumanBeing 
Fragesteller
 19.03.2014, 16:55

Die Angst ist allerdings so stark, dass ich mich erst gar nicht traue, die Lizenzausbildung aufzunehmen, weil ich weiß, dass ich nach eineinhalb Tagen "Bodenausbildung" aus 4.000 Metern springen werde, andererseits aber nach wie vor springen "will".

Es ist, wie bereits erwähnt, ein langjähriger Traum von mir. Ich denke ständig darüber nach und kann mir im Moment nicht vorstellen, ihn "abzuschreiben". Zumindest bräuchte ich wohl sehr sehr gute, objektive Gründe dafür, zum Beispiel dass es körperlich wirklich nicht "geht". Das sehe ich im Moment aber nicht.

Natürlich ist so etwas gewissermaßen ein "Luxusproblem", aber mein Wunsch, dieses Ziel zu erreichen, ist so stark, dass ich es trotzdem nicht ignorieren kann. Irgendetwas muss ich tun, in die eine oder in die andere Richtung. Meine Vernunft sagt mir, dass die Angst übersteigert ist und ich letztlich springen sollte. Wie ich dort hinkomme weiß ich leider nicht.

ArchEnema  19.03.2014, 23:47
@NoHumanBeing

Nunja, wie sagte dereinst Meister Yoda: Tu es, oder lass es. Es gibt kein Versuchen.

Wenn du springen willst, dann spring. Wenn nicht, dann lass es bleiben. Entscheiden musst du dich schon selbst...

NoHumanBeing 
Fragesteller
 20.03.2014, 01:56
@ArchEnema

Ich weiß, wie die Entscheidung ausfallen "muss". Ich möchte es nicht "abschreiben". Ich habe noch nie in meinem Leben etwas dermaßen gewollt. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so gut gefühlt, wie in den Sekunden nach der Schirmöffnung beim ersten Sprung und der Landung meines Kollegen, dessen Tandemmaster nach meinem sprang und der dementsprechend nach uns landete.

Aber ich hatte auch noch nie dermaßen Angst wie beim Gedanken ans Springen seitdem. Wenn ich ans Springen denke, kommen in mir beide Gefühle simultan hoch, der Drang es zu tun und die Angst davor. Am Anfang war es leicht, der Angst nachzugeben, denn ich würde die Sache ja nur aufschieben. Irgendwann würde die Angst nachlassen und dann würde ich ja ohnehin springen. Aber die Angst ließ nicht nach, es ist heute noch so, als wäre es gestern gewesen, und mit der Zeit kam in mir der Gedanke hoch, dass dies ein "Abschreiben auf Raten" ist. Dass ich es so lange vor mir herschieben könnte, bis ich zu alt dafür wäre und es dann bereuen würde. Doch dann wäre es zu spät. Was nützt es mir, die Wahrscheinlichkeit zu maximieren, dass ich 85 Jahre alt werde (etwa in dem Dreh dürfte für meine Generation die mittlere Lebenserwartung liegen), wenn ich dann meine Träume nicht erfüllt habe? Sterben werde ich so oder so, das werde ich nicht vermeiden können. Es bringt mir also letztlich nichts, nicht zu springen. Ich kann bei diesem Spiel nicht "gewinnen". Ich kann nur früher verlieren oder später verlieren. Möchte ich es riskieren, früher zu verlieren, um das Spiel so spielen zu können, wie ich es für richtig halte? Ich denke das klingt nach einer guten Idee. Seitdem liegt auf dem Gedanken "Schieben" gewissermaßen eine "Pönale" und je länger ich warte, desto stärker wird mein Drang, zu springen, wobei beide Gefühle langsam "in die Sättigung zu fahren scheinen".

Mein Unterbewusstsein sagt mir "Spring nicht!", aber es sagt mir auch "Warte nicht!", je nachdem, woran ich gerade denke. Bei beiden Gedanken habe ich das Gefühl, einen Fehler zu begehen.

Meine Vernunft sagt mir, dass ich nichts zu verlieren habe und springen sollte, ja springen muss.

Was mich am stärksten davon überzeugt, dass ich springen muss, ist folgende Argumentation: Der einzige Grund, warum ich nicht springe, sind die Ereignisse vom 19. Mai 2013. Bis zu diesem Tag wollte ich um jeden Preis springen. Wenn ich am 19. Mai 2013 keine negative Erfahrung bezüglich Fallschirmspringen gemacht hätte, dann hätte ich keinerlei Grund gehabt, meine Einstellung zu ändern. Ich hätte mich für Sommer 2013 für die Lizenzausbildung angemeldet und wäre gesprungen. Und sehr wahrscheinlich wäre ich mit dieser Entscheidung zufrieden gewesen. Vielleicht könnte ich dieses oder nächstes Jahr schon eine Wingsuit fliegen. Nun ist aber leider etwas passiert, allerdings nicht mir, sondern einer anderen Person. Hat die Tatsache, dass dieser Person etwas passiert ist, Einfluss auf meine Fähigkeit, zu springen? Jule59 behauptet ja, aber die Antwort, die ich intuitiv gegeben hätte, wäre erst einmal nein. Was wäre denn gewesen, wenn mein Kollege gar nicht hätte springen wollen? Wenn er einfach gesagt hätte "Mache ich nicht, reizt mich nicht." oder "Kann ich nicht, ich leide unter Flugangst."? Tut er nicht. (Ich zum Glück nicht. Im Gegenteil, ich fliege äußerst gern.) Aber mal rein hypothetisch. Dann hätte ich diese ganze Misere vermieden und wäre schon längst gesprungen.

Gut nun ist es anders gekommen, aber was ändert das für mich? Verstehst Du, worauf ich hinaus möchte? Es macht keinen Sinn!

Was mir fehlt ist der optimale Weg, der optimale "Kompromiss", das, was Du ausblendest, indem Du sagst "es gibt nur schwarz oder weiß". Ich möchte mich nicht "auf gut Glück" mit dem nächstbesten Absetzflugzeug nach oben bringen lassen. Ich möchte so viel es geht von den Zweifeln wieder loswerden und das Risiko so weit minimieren, wie nur möglich. Was dann übrig bleibt, werde ich akzeptieren müssen. Die Frage ist, wie ich das am besten mache.

Klar ist: Je mehr Erfahrung ich sammle, desto sicherer werde ich mir. Je sicherer ich mir werde, desto eher werde ich einen "kühlen Kopf bewahren", desto rationaler werde ich handeln und desto weniger wird mir passieren. Aber irgendwo muss ich eine Grenze ziehen, sonst verbringe ich die nächsten Jahre in Windkanälen und habe bald kein Geld zum Springen mehr.

Ich möchte definitiv springen, aber ich möchte nicht "mit Angst springen", denn wie Jule59 schreibt, Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wenn ich "das Bit löschen könnte, das am 19. Mai 2013 gesetzt wurde" (sorry, bin Informatiker ;-) ), würde ich es tun und dann springen. Wenn ich eine Möglichkeit hätte, "einzuwilligen", zu sagen "Yeah, I understand the risk, now turn off that f*cking fear!", würde ich diese Option wählen.

Ich möchte mir wieder so sicher werden, wie vor dem 19. Mai 2013. Vollkommen überzeugt sein, das richtige zu tun. Keine Zweifel haben. Wie schaffe ich das? Oder wie komme ich zumindest so nah dran, wie möglich?

NoHumanBeing 
Fragesteller
 20.03.2014, 02:02
@NoHumanBeing

Das erste "nach" in obigem Beitrag muss "zwischen" heißen.

Grandi  20.03.2014, 17:50
@NoHumanBeing

Geh ruhig zu einem Psychotherapeuten, doch erwarte nicht, dass dir dir realistische Angst "wegtherapiert" wird. Du wirst nun erwachsener, d.h. du bist nun in der Lage die möglichen Folgen deines Handelns zu begreifen. Wenn du springst, kannst du dich dabei verletzen. Nun entscheide selbst, ob dieser Traum für dich dieses Risiko wert ist. Für Jule war es das nicht. Für dich mag es anders sein. Zur kindlichen Naivität kannst du allerdings nie mehr zurück. Viel Erfolg!

NoHumanBeing 
Fragesteller
 20.03.2014, 19:03
@Grandi

Geh ruhig zu einem Psychotherapeuten, doch erwarte nicht, dass dir dir realistische Angst "wegtherapiert" wird.

Diese Idee stammt nicht von mir, ganz im Gegenteil, ich bin diesbezüglich äußerst skeptisch. Ich kenne ein paar Psychologie-Studenten und viele sind in meinen Augen "seltsame Leute". Wenn ich da drum rum komme, umso besser! Dann brauche ich mich auch nicht in eine Schublade stecken zu lassen, in die ich nicht hinein möchte. ;-)

Mir hat allerdings vergangene Nacht zum dritten Mal jemand gesagt (drei unabhängige "Quellen", die sich gegenseitig nicht kennen), dass meine Angst "abnorm" und eine Therapie angebracht sei. Seine Worte waren äußerst drastisch. Er meinte in etwa: "Bei Dir liegt ja so viel im Argen, das werden mindestens 300 Stunden!"

Diese "Quelle" war selbst Psychologiestudent. Eine andere "Quelle" ist Sanitäter und war selbst bereits wegen einer (arbeitsbedingten) PTBS in Therapie. Alle "Quellen" kamen aus eigenen Stücken zu diesem Vorschlag. Ich habe sie nicht dazu "hingeführt", da ich selbst nicht viel davon halte und es eigentlich aus eigener Kraft schaffen möchte.

Nachdem ich dies aus "dritter Quelle" gehört hatte, ist mir allerdings folgendes Filmzitat eingefallen: "Wenn Dich jemand einen Ochsen nennt, nenne ihn selber Ochse. Wenn Dich ein zweiter einen Ochsen nennt, nenne ihn Vollidiot. Wenn Dich ein dritter einen Ochsen nennt, dann wird es langsam Zeit, sich nach einem Kuhstall umzusehen."

Und dann dachte ich mir eben: Ok, Du hast inzwischen die dritte "unabhängige Quelle", die Dir sagt, es ist abnorm und "behandlungswürdig". Du hast selbst den Eindruck, es sei abnorm, weil es mit Deinen eigenen Überzeugungen nicht übereinstimmt.

So kam ich eben darauf.

Wenn du springst, kannst du dich dabei verletzen. Nun entscheide selbst, ob dieser Traum für dich dieses Risiko wert ist.

Wenn es mal "nur" darum ginge. Das Problem ist, wenn ich springe, kann ich sterben, schlimmstenfalls durch einen Fehler, den ich noch nicht einmal selbst verschuldet haben muss. (Das Equipment wird von einem Dritten gewartet, der Absetzer kann Fehler machen, es gibt andere Springer und Flieger im Luftraum, die können Fehler machen, ...) Diese Entscheidung kann ich nicht treffen. Das bedeutet nicht, dass ich aufhören muss, das kann ich im Moment auch nicht. Ich kann die Entscheidung nicht treffen. Ich habe nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich springe und riskiere, dabei zu sterben. Oder ich springe nicht. Beides ist für mich nicht akzeptabel.

Mir fehlt auch jedes "Gefühl" für das Risiko. "1 zu 66'280", was ist das? Auf den ersten Blick klingt es "viel". Wenn ich es auf die 200 Sprünge hochrechne, die ich für die Wingsuit brauche, sind wir schon bei "1 zu 332". Wenn ich es vergleiche mit dem Risiko anderer Sportarten oder auch mit dem "allgemeinen Lebensrisiko" von etwa "1 zu 39'100" pro 24 Stunden, ist es "wenig". Im Grunde heißt es, ich kann alle 24 Stunden einmal springen und habe dadurch meine Wahrscheinlichkeit, innerhalb dieser 24 Stunden zu sterben (die ich ja im Prinzip als "null" empfinde - ich laufe ja schließlich nicht durch die Gegend und rufe "Oh Gott, oh Gott ich kann heute sterben!" ;-) ), noch nicht einmal verdoppelt. Das ist so eine starke Diskrepanz. Mir fehlt jedes Gefühl für das Risiko. Darum kann ich auch nicht beurteilen, ob ich es akzeptieren sollte. Mir fehlt jeder "Maßstab". Ich habe keinen "Vergleich".

Das einzige was ich sagen kann ist, wenn am 19. Mai 2013 nichts passiert wäre, hätte ich mir diese Gedanken überhaupt nicht gemacht und wäre schon längst gesprungen. Es schien alles so hypothetisch. Dann hieß es: "Ja die allermeisten Unfälle passieren sowieso nur durch Draufgängertum und Risikofreude. Na dann ist ja alles klar, ich bin alles andere als "risikobereit" (sieht man ja an meinem zögerlichen Verhalten), also wird mir schon nichts passieren."

Und dann passiert etwas und "krämpelt alles um". Und ich stehe nur da und denke mir: Wieso? Was ändert sich für mich? Ich habe so etwas zuvor noch nie in der Form erlebt und ich habe ja auch keine wirkliche Erfahrung in diesem Sport. Die Dropzone weiß von meinen Bedanken. Die sagen natürlich: "Alles kein Problem!" Die wollen ja Kunden gewinnen. Aber auch der Sportmediziner sagt: "Alles kein Problem!" Mein Kollege sagt: "Ich verstehe nicht, was Du hast. Dir ist nichts passiert. Mir ist was passiert." Da muss ich ihm Recht geben.

Er sagt weiterhin: "Wir leben in Deutschland. Wenn es gefährlich wäre, wäre es nicht erlaubt."

Da muss ich ihm widersprechen. Es stimmt, dass in Deutschland so ziemlich alles verboten zu sein scheint, was irgendwie gefährlich ist, aber man darf meines Erachtens als mündiger Bürger seine Verantwortung nicht auf den Staat abwälzen.

Ich weiß nicht, was "richtig" ist, weil mir die Erfahrungswerte fehlen. Ich war bislang noch nie in einer solchen Situation. Ich habe noch nie etwas dermaßen gewollt und noch nie dermaßen Angst gehabt.

Für Jule war es das nicht.

Für Jule war es das 40 Jahre lang.

Du musst dich mit deiner Angst auseinandersetzen - dich hinzustellen und zu schreien "Mir passiert schon nichts!" wird dir nicht weiterhelfen!

Tatsache ist: so was kann tödlich enden, und nachdem dieses Wissen endgültig zu dir durchgedrungen ist, kannst du es nicht mehr verdrängen! Auch bekannte "Stars" der Szene sind dabei schon umgekommen oder schwer verletzt worden - aber bei der "harmlosen, unerklärlichen" Ohnmacht deines Bekannten warst du live dabei und da war KEIN übertriebenes Risiko und KEIN menschliches Versagen im Spiel, die du später weitestgehend ausschließen könntest...

Wenn es dein absoluter Traum ist, musst du überzeugt sein, dass er diesen Preis wert ist. Und bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.

NoHumanBeing 
Fragesteller
 08.07.2014, 22:03

Danke für Deine Antwort!

Tatsache ist: so was kann tödlich enden, und nachdem dieses Wissen endgültig zu dir durchgedrungen ist, kannst du es nicht mehr verdrängen!

Ja, kann es. Allerdings liegt das Risiko, bei einem einzelnen Sprung ums Leben zu kommen, bei 1 zu 66'280 (Stand InSiTa 2012 - Stand 2013 lag es wohl etwas höher, aber ich möchte jetzt die ganzen Statistiken nicht erneut durchrechnen).

Da sind aber auch noch die ganzen "Unfälle" mit Suizidverdacht, etc. dabei. (Verständlich, dass Leute, die springen können/dürfen und ihrem Leben ein Ende setzen wollen, diese Methode wählen. Genickbruch ist schnell passiert und wenn das Rückenmark erst einmal durchtrennt ist, gehen auch keine Schmerzreize mehr durch. Das heißt nicht, dass ich es vorhabe, um Gottes Willen! Aber ich kann nachvollziehen, dass man diese Methode wählt, wenn man die Möglichkeit dazu hat.) Wenn man die "bereinigt", kommt man wohl auf etwa 1 zu 100'000. Zumindest ist das die Zahl, die man in bevölkerungsreichen Ländern (z. B. USA) erhält (dort war's sogar mal etwa 1 zu 120'000). Die große Grundgesamtheit bügelt "Ausreißer" natürlich sehr effektiv aus.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Du innerhalb eines beliebigen 24-Stunden-Intervalls verstirbst liegt (Stand 2011) bereits bei 1 zu 39'100. (Diese Zahl lässt sich mittels geeigneter Regressionsmethoden aus Datenmaterial des statistischen Bundesamtes errechnen, ist allerdings selbst keine "offizielle Zahl".)

Es gibt so viele Dinge, durch die Du sterben kannst (und letzten Endes wird es passieren, egal was ich tue). Eigentlich darf man sich durch so etwas nicht abhalten lassen. Zumindest nicht bei den Wahrscheinlichkeiten, mit denen wir hier hantieren.

Was sollte ich Deines Erachtens tun? Die "Idee" mit dem Psychologen war eigentlich nicht meine. Ich hatte die Frage nur eingestellt, nachdem ich bereits von drei Personen gehört hatte, dass die Angst in dieser Form nicht normal sei und durchaus "behandlungswürdig" sei. (Das nur zur Erklärung, weil viele Antworten sich darauf beziehen und mir sagen, das sei keine sinnvolle Idee, aber nichts anderes vorschlagen.) Ich selbst würde es auch am liebsten ohne schaffen, insbesondere da ich davon nicht allzu viel halte und vermutlich auch, weil ich nicht "als behandlungswürdig abgestempelt werden möchte". Ich persönlich würde zunächst einmal weitere Zeit im Windkanal buchen (bislang war ich 2x 15 Minuten drin), nachdem mir das Spaß macht und die Angst sich in Grenzen hält (ein bisschen Aufregung ist sicher immer bei der Sache, aber das ist ja nicht unbedingt verkehrt). Nur ob das tatsächlich irgendwann zielführend ist, das weiß ich eben nicht.

Das mit dem "Verdrängen" ist so eine Sache. Mich "wurmt" die Tatsache sehr, dass die Angst durch ein "zufälliges Ereignis" ausgelöst wurde. Wäre meinem Kollegen nichts passiert, wäre das objektive Risiko für mich nicht wesentlich anders, aber die Sache wäre sicher ganz anders gelaufen. Zumindest hätten wir uns wohl angemeldet und es versucht. Ob wir dabei geblieben wären, steht wieder auf einem anderen Blatt, aber der Anfang wäre zumindest gemacht worden. Und dann kommen auch positive Erfahrungen hinein, die einen in seinem Tun bestärken und das ganze relativiert sich. So ist das ganze natürlich äußerst suboptimal gelaufen. Die erste Erfahrung war sozusagen gleich eine stark negative. Daher ist nichts da, was "kompensieren" kann und ich kann auch keine wirkliche Kompensation "aufbauen", ohne genau das Risiko einzugehen, vor dem ich nun dermaßen starke Angst habe. Es ist von der psychischen Seite gewissermaßen der Worst-Case, der hätte passieren können.

Ich hatte natürlich gehofft, dass "die Zeit die Wunden heilt", aber es ist immer noch, als wäre es gestern gewesen.