"Nervöses Stottern" als Fachbegriff gibt es nicht, wohl aber "neurogenes Stottern" (Stottern im Zusammenhang mit einer neurologischen Erkrankung / Schädigung) und "psychogenes Stottern" (Stottern im Zusammenhang mit einer psychiatrischen Erkrankung). Das Feld-Wald-und-Wiesen-Stottern heißt fachlich "idiopathisches Stottern". Der Begriff "idiopathisch" wird in der med. Fachsprache für Krankheiten verwendet, die keiner klaren Ursache zuzuordnen sind. In der englischen Fachsprache heißt das "idiopathische Stottern" "chronic developmental stuttering (CDS)", dabei bezieht sich "developmental" darauf, dass es in der Zeit der normalen Sprachentwicklung zum ersten Mal aufgetreten ist.

Es ist ein definierendes Kennzeichen von idiopathischem Stottern, dass die Häufigkeit und Schwere in verschiedenen Situationen variiert. Diese Eigenschaft ist definierend in dem Sinne, dass eine Sprechflussstörung, die nicht situativ variiert, wahrscheinlich gar kein idiopathisches Stottern ist. (Ich habe allerdings schon Fälle von psychogenem und neurogenem Stottern gesehen, deren Stottern in unerschiedlichen Situationen konstant war.) Der Fall, dass es ausschließlich in einem aufgeregten Zustand auftritt, ist zwar ungewöhnlich, aber ändert nichts an der Diagnose.

Die Vermutung, dass dem Erscheinungsbild eine Therapie zugrunde liegt, ist nicht von der Hand zu weisen. Hat die Kollegin denn eine Therapie gemacht? Wenn ja, muss dieses eine sog. "Schönwetter-Therapie" gewesen sein, die nur in "leichten Sprechsituationen" etwas gebracht hat. Das ist ein untrügliches Kennzeichen für eine schlechte Therapie. Das Problem ist bei den Fachleuten bekannt. In guten, d.h. nachhaltig wirksamen Therapien wird natürlich großer Wert gelegt auf die Bewältigung gerade der Situationen, in denen häufiges und schweres Stottern vorkommt.

Die Methoden sind "eigentlich" auch bekannt und entsprechen weitgehend der klassischen Phobie-Therapie - Entspannung, Konfrontation, Gegenkonditionierung. Eine ausführliche Darstellung würde hier zu weit führen.

Was könnte man der Kollegin raten? Eine Therapie zu machen, wenn sie das Stottern bei Aufregung stört. Stört sie denn die Aufregung? Spürt sie die Aufregung denn? Wenn nicht, könnte es ja sein, dass nur das Stottern den Zuhörern den Eindruck gibt, als sei sie aufgeregt, was sie vielleicht gar nicht ist. Über diese Fehlbeurteilung der ahnungslosen Umgebung beschweren sich viele Stotterer, zumal dann, wenn sie sinnlose Ratschläge erhalten wie: "Sie brauchen sich nicht aufzuregen ..."

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