Zwangseinlieferung durch den Hausarzt

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Man muss hier mehrere Dinge unterscheiden. Zum einen gibt es da die Zwangseinweisung, die gegen den erklärten Willen eines Patienten durchgeführt wird, wenn dieser durch eine psychische Erkrankung akut eigengefährdet ist (also die Gefahr besteht, dass er sich selbst verletzt oder tötet) oder dir Tragweite seines Tuns derzeit nicht erkennen kann (z.B. bei einer Manie, wenn der Patient drauf und dran ist, all sein Vermögen zu verjubeln, weil es ihm gerade Spaß macht), oder wenn Gefahr für Sachwerte besteht (es darf also auch niemand randalierend durch die Innenstadt ziehen, nur weil ihm die Stimmen das sagen). Eine soclhe Zwangseinweisung muss von den Ordnungsbehörden unter Zuhilfenahme von Vollstreckungsbeamten (also in der Regel der Polizei oder extra bevollmächtigten anderen Beamten, z.B. von der Berufsfeuerwehr) auf Anordnung eines Richters durchgeführt werden. Besteht akute Gefahr für Leib und Leben kann auch ein Arzt die Empfehlung für eine Zwangseinweisung aus medizinischen Gründen nach eigenem Ermessen aussprechen, zur Gefahrenabwehr wird dann der Patient sofort und ohne richterlichen Beschluss in eine psychiatrische Klinik gebracht, jedoch muss im Nachtrag die Unterbringung richterlich abgesegnet werden, meist innerhalb von 24 Stunden.

Von der Zwangseinweisung unterscheidet sich die Behandlung gegen den Willen des nicht einsichtsfähigen Patienten. Hat ein Patient z.B. eine Erkrankung, durch die er gerade ncihtklar einsehen kann, welche Komsequenzen die Ablehnung ärztlicher Maßnahmen hätte, so ist der Arzt berechtigt und verpflichtet, ihn trotzdem zu behandeln. Grundlage ist dabei die Annahme, dass ein geistig klarer Patient im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte die Behandlung nicht ablehnen würde. Gute Beispiele sind Patienten nach einem Krampfanfall (danach gibt es eine gewisse Phase der Verwirrung und Desorientiertheit. Ist der Rettungsdienst zugegen will er den Patienten gern zur Beobachtung mit ins Krankenhaus nehmen. Lehnt der patient dies in der Umnachtungsphase ab, kann er auch gegen seinen Willen mitgenommen werden, da er nciht einsichtsfähig ist) oder Unterzuckerung (ähnliches Bild wie beim Krampfanfall), aber auch schwere Traumata mit viel Blutverlust und Schock. Man nennt das "Handeln im mutmaßlichen Einverständnis" des Patienten. Die Definition, ob ein Mensch noch zurechnungsfähig ist und wirksam die Behandlung ablehnen kann, liegt im Ermessen des Arztes. Hilfreich bei der Ermittlung des Patientenwillens sind z.B. Patientenverfügungen oder -anweisungen, die schriftlich niedergelegt mitgeführt werden können. Im Notarzteinsatz wird nach so etwas aber nicht lange gesucht sondern erst mal behandelt, aber mit dem Hausarzt kann man Patientenanweisungen besprechen. Eine Behandlung gegen den Willen eines nicht zurechnungsfähigen Patienten unter Annahme des mutmaßlichen Einverständnisses ist keine Zwangseinweisung und bedarf keiner richterlichen Absegnung!

Ein Patient im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte kann allerdings jegliche Maßnahme ablehnen, ganz egal, wie es dann für ihn ausgeht. Z.B. können Patienten mit Herzinfarkt beschließen, sich nicht behandeln zu lassen, trotz der Gefahr ihres Todes, wenn sie ncoh voll zurechnungsfähig sind. Der Arzt ist verpflichtet, sich an den Wunsch zu halten, denn Behandlung gegen den erklärten Willen eines zurechnungsfähigen Patienten sind rechtswidrig, egal, welche Konsequenzen es hat.

Wie immer ne Super Antwort von dir. Ich hab aber noch eine Frage dazu: Sind Patienten noch voll zurechnungsfähig, wenn sie mit Herzinfarkt beschließen sich nicht behandeln zu lassen? Diesen speziellen Fall kenne ich noch nicht aus eigener Erfahrung aber würde der Arzt in einem solchen Fall nicht von einer, sagen wir mal "schockausgelösten" und damit irrationalen Entscheidung ausgehen?

@sachlich123

Ein Herzinfarkt geht nicht mit einer Bewusstlosigkeit oder einem ähnlichen Bewusstseins-geminderten Geisteszustand einher. Ein Neurologe könnte vielleicht erklären, warum das so ist und wo das im Detail messbar ist, aber man weiss aus dem medizinischen Altag auch so, dass es so ist.

Wenn man da anderes behauptet, macht man sich im Kollegenkreis lächerlich.

Wenn jeder Mensch in einer aufgeregten oder Stressituation generell entmündigt wäre, sähe es aber chaotisch aus. Dann wärest Du sicherlich auch schon hundert mal in Deinem Leben entmündigt gewesen.

@derdorfbengel

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Ich möchte jetzt auch noch einmal genauer nachfragen. Wenn ein Patient z.B. mit auffallenden Entzugserscheinungen zum Arzt geht (beispielsweise Drogenentzug - Pharmaka/Alkohol etc.), zählt das schon als ausreichend um den Patienten auf einer Entzugsstation zwangseinliefern zu lassen?

@Kathlea

@Kathlea: Das weiss ich nicht. Das läge im Ermessen des Arztes. Aber ich glaube eher nicht. Er würde es wohl empfehlen.

@sachlich123

Letztendlich liegt es in Ermessen des Arztes, wen er für unzurechnungsfähig hält und wen nicht. Allerdings muss schon eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit vorliegen. Bei einen Infarkt ist das so gut wie nie der Fall. Beim Entzug kann man sicher im fortgeschrittenen Delir eine Zwangsbehandlung durchführen, nur weil der Entziehende aber ein wenig kaltschweißig und unruhig ist, wird das aber wohl nichts werden. Das Recht auf Selbstbestimmung ist ein sehr hohes Gut, das man nicht einfach mal eben so unterlaufen darf, denn wenn man hinterher eine Klage am Hals hat, wird da sehr genau gefragt. Glücklicherweise ist es nicht verboten, auf den Patienten einzureden wie auf ein krankes Tier, bis er dann entnervt doch einer Behandlung zustimmt... ;)

@DoktorNoth

Danke deswegen meine Frage. Meine Erfahrungen diesbezüglich hab ich ja schon geschildert. (z.B. mit der Hypogykämie) Die Patienten machten auf mich nicht den Eindruck verwirrt zu sein, nachdem der Blutzuckerspiegel wieder normales Niveau erreicht hatte. Deswegen hab ich ja gerade so speziell nachgefragt. Weil die Praxis offenbar mit der Theorie nicht immer übereinstimmt und der NA ja trotzdem eine Rechtfertigung brauchte um solche Schritte einzuleiten.

@DoktorNoth

..zumal, wenn Notarzt und Rettungsdienst vier fremde Personen in roten Jacken mit massig schwerem Gerät, laufenden Blaulichtern, eine besorgte Ehefrau, ein Sohn, eine Nachbarin usw. alle zusammen gelaufen sind und alle in dieselbe Richtung Druck machen.

Wer hält dem schon stand?

@derdorfbengel

Verwandte sind nicht immer anwesend und renitente Personen können ganz schön starrköpfig sein. Natürlich fahren die meisten mit. Hab ich ja auch gesagt, aber halt nicht immer. Einzelfälle hatte ich halt schon.

@sachlich123

Blogs, man muss auch nicht immer jeden Unterzuckerten mit ins KH schleppen, selbst wenn er formal nicht vom zurechnungsfähig ist. So lange man sich vergewissert, das der Patient essen und trinken kann und immer jemand da ist, um auf ihn aufzupassen, regelmäßig den Zucker zu kontrollieren und ggf erneute medizinische zu holen, kann so jemand auch mal zu Hause bleiben (zumindest, wenn die Unterzuckerung durch Insulin und nicht durch die deutlich länger wirksamen oralen Antidiabetika entstanden ist). Nur, weil jemand formal auch mal als nicht voll zurechnungsfähig gelten kann, muss man ihm nicht unbedingt zwangsbehandeln, so rum funktioniert es auch wieder nicht. Kompliziert, was? ; )

@DoktorNoth

Kompliziert finde ich das nicht. Die Rechtslage ist mir schon klar, aber wenn die Erfahrungen davon abweichen muss es gestattet sein mal nachzuhaken. Ich hab im letzten Jahr zweimal eine solche Situation erlebt wo der Patient scheinbar orientiert und zurechnungsfähig war. Einmal kam die Polizei und hat ihn auf die Trage gelegt und einmal lenkte der Patient erst ein als die schon verständigt und unterwegs waren. Es waren verschiedene Ärzte, die das veranlassten. Das ist alles. Mehr wollte ich nicht wissen.

@sachlich123

Tut mir leid, sollte ich dir zu nahe getreten sein, der Tonfall des letzten Kommentars klingt etwas angefressen... Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass es nciht immer einfach ist und keine wirkliche Patentlösung gibt. Eine Einweisung mit Polizei ist sicher das WorstCase Szenario, vor dem wir uns alle fürchten. Und ein Arzt, der ein bisschen ernst zu nehmen ist, sollte es sich nicht zu einfach machen, wenn er sich überlegt, wer denn nun gegen seinen Willen behandelt werden muss und wer nicht- wie dem auch sei, ich hoffe, deine Frage ist trotzdem zufriedenstellend beantwortet und ich bin dir nicht zu sehr auf die Füße getreten...

Nur Wenn Ein begründeter Verdacht besteht ,das _die Person so krank ist,das es notwendig ist.Das Krankenhaus wird Die Diagnose überprüfen müssen.

Der Hausarzt kann es höchstes vorübergehend. Die wirkliche Zwangseinlieferung muss ein Richter bestätigen in einem ordentlichen Verfahren.

Gründe sind NUR Eigen- und Fremdgefährdung

Wenn ein Patient vital bedroht ist, und die Verweigerung der Behandlung eine Gefahr für sein Leben darstellt ist der Arzt berechtigt ihn gegen seinen Willen einzuweisen und zu behandeln oder behandeln zu lassen. Auch unter Zuhilfenahme der Polizei.

Ja das mag richtig sein, aber das ist alles so salopp daher gesagt, nirgends findet man eine genau Definition, ab wann man das Leben eines Menschen als bedrohlich oder gefährdet ansieht. Die Ärzte müssen sich da doch an irgend einer Sache orientieren.

@Kathlea

Der Arzt entscheidet das eigenverantwortlich durch Abwägung der Situation. Wenn die Nichtbehandlung zu einer Gefährdung des Patienten führt wird der Arzt auch ohne dessen Einverständniss handeln. Ich hab das schon oft erlebt.

heutzutage ist es einen selber überlassen wenn es wirklich nicht so schlimm ist wann man hin geht und wieder daraus kommt! die wollen einen auch so schnell wie möglich wieder aus dieser klinik entlassen!! das kostet ja auch alles geld musst du dir denken =)