Kaminofen im Passivhaus sinnvoll (ökonomisch / alltagstauglich)?

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Ich habe zwar kein PH (= Passivhaus) , projektiere PH bilde aber Passivhausplaner aus und profitiere damit auch von der Erfahrung meiner Kollegen.

Kurzum: ein Kaminofen-Solarthermie-Kombi für ein PH ist machbar, aber mit Problemen behaftet:

  • die Heizlast (am kältesten Wintertag) im Aufstellraum beträgt z.B.10 W/m² x 40 m² = 400 W; die Heizlast an Normaltagen ca. 100-200 W. Die Abstrahlleistung eines Kaminofens mit 6 KW Leistung und Wassertasche liegt zwischen 10 und 30 % -> ca. 1,2 KW. D.h. Überhitzung ist schwer zu verhinderm. Lösen lässt sich das Problem durch einen großen Raumluftverbund (offener Grundriss und ggfs. offenes Treppenhaus). Und wenn man die Wärme dann noch etwas besser im Gebäude über die Luft verteilen möchte, macht man eine Absaugung am Treppenhauskopf und verteilt die überwarme Luft über die WRG der Lüftungsanlage. Ich habe einen Kunden, der nur so (ohne Wassertasche) die Wärme im Haus verteilt, was sehr ökonomisch ist

  • Was ist, wenn man nicht heizt? DIe Auskühltemperatur eines PH liegt so zwischen 13-15°C. Bei einer max. Heizlast von ca. 1-2 KW für das gesamte PH hat man die Luft ruck-zuck hoch geheizt. Der Hauptwärmebedarf im PH liegt im Warmwasser.

  • nehmen wir mal einen 800 L - Speicher ohne den Stahl zu berechnen: 500 kg X ( 45-10°) X 1,163 Wh/kg;K / 1000 = 20 kWh; 20 kWh / 4 KW Kaminofen = 5 Stunden -> hypotetisch, weil du den Speicher natürlich nicht gleichmäig und voll auf eine Temperatur erwärmst und dir zur Nutzung auch erst einmal 20 % des Speichers zur Nutzung reichen würden = ca. 1 h

  • nur mal zum Vergleich: 500 m³ Luftvolumen von 14 auf 21°C hochzuheizen, benötigen nur 1,25 KWh...

  • es gibt (wenige) luftdichte Modelle auf dem Markt, die auch zusammen mit einer Lüftungsanlage und einem Unterdruckwächter im Kamin betrieben werden dürfen. Die Abstrahlwärme wird bei den Modellen mit Wassertasche geringer sein, weil man diese "Verluste" ja eigentlich nicht haben möchte. Hauptabstrahlung durch das (meist kleine ) Sichtfenster.

  • Solarthermie SEHR sinnvoll, da man sonst durch den Betrieb des Kaminofens die meiste Zeit Überhitzung im Haus hat. Eine sinnvolle Auslegung sollte es ermöglichen, dass die Solarthermie bis auf wenige h Heizstab bis zur Heizperiode ausreichend ist.

  • Alternativsystem, das derzeit sehr intensiv diskutiert wird: statt Solarthermie, große PV-Anlage, Überschüsse, die man nicht selbst verbraucht, werden mit Wärmepumpe in Warmwasser fürs Haus umgewandelt. Die Luftwärmepumpe übernimmt gleichzeitig die Energieversorgung des Gebäudes. Spitzenheizlast durch E-Stab oder kleiner Kaminofen für 5-10 Tage im Jahr (ohne Wassertasche). Ein solches System kann wirtschaftlicher als Ihres sein, aber bei einer Wirtschaftlichkeit kann man an so vielen Schrauben drehen, dass man sich damit intensiv auseinander setzen müsste..

Hallo Herr Kruft,

danke für diese aussagekräftige Antwort! Das hat schonmal ein gutes Stück weiter geholfen! :)

Manches hat aber noch Rückfragen aufgeworfen, z.B:

  • Der Kaminofen Ihres Kunden, der dank Luftumverteilung ohne Wassertaschen auskommt, speist ja dann keine Energie in einen Pufferspeicher, richtig? Wie bezieht er Energie für sein Warmwasser? Und kann er allein mit dem Kaminofen die Wärme im gesamten Haus verteilen? Wahrscheinlich verfügt er über eine weitere Energiequelle für Heizung und Warmwasser (z.B. eine Wärmepumpe), oder?

  • Zitat "•es gibt (wenige) luftdichte Modelle auf dem Markt, die auch zusammen mit einer Lüftungsanlage und einem Unterdruckwächter im Kamin betrieben werden dürfen." --> sind eine Lüftungsanlage+Unterdruckwächter Pflicht im Passivhaus? Oder nur bei bestimmten Belüftungskonzepten (Luftverteilung)?

  • Zitat "...PV...Spitzenheizlast durch E-Stab oder kleiner Kaminofen für 5-10 Tage im Jahr (ohne Wassertasche). " --> heißt das, dass in so einem Fall (Photovoltaik+Wärmepumpe) ein Kaminofen tatsächlich nur (sinnvoll) 5-10 Tage im Jahr laufen sollte?? Falls ja, rechtfertigt dies die Kosten für die Kamininstallation ja nicht mehr, oder?

Viele Grüße, Martina M.

Hallo Dietmar,

wir sind zwei Personen (falls noch Familienzuwachs entsteht, vielleicht mal drei oder vier).

Unser Warmwasserbedarf ist, denke ich, nicht allzu hoch, da wir eben nur zu zweit sind und auch öfters unterwegs. Also quasi jeden Tag etwas Warmwasser für den Haushalt, aber größere Mengen (Duschen/Baden) nur etwa 3 - 4 Mal in der Woche. Genaue Zahlen hab ich grade nicht.

Martina

Bei allen Konzepten sollte das Preis-/Leistungsverhältnis beachtet werden.

Aus diesem Grund - wenn überhaupt - nur einen ganz kleinen Ofen ohne WW-Aufbereitung. Wenn Röhrenkollektoren und ein großer WW-Speicher gewählt werden, dann wären auch Tage mit wenig Sonne völlig ausreichend.

Lasst euch von jemandem Beraten, der Röhrenkollektoren anbietet, die Überschußwärme z.B. in eine Marmorbank oder ähnliches Speichermedium im Wohnraum umzuleiten. Damit hast du zusätzliche Strahlungswärme im Raum (bei Bedarf z.B. Abwesenheit, damit das Haus nicht ganz auskühlt).

Hallo Lausfrau,

Du hast in Deinem Text ja 13 Fragezeichen plus Titel. Das ist schon ´mal ´ne rekordverdächtige Hausnummer. Ich versuche mich daran zu orientieren.

Wer hat hier im Forum ein Passivhaus mit Kaminofen? – Ich nicht.

Wie sind Eure Erfahrungen damit? – Gut, sofern aber rein baubegleitend (Planung, Bauleitung).

Mich würde dringend interessieren, wie man mit diesem System (Kaminofen+Solarthermie) warmes Wasser und Heizung im Winter gewährleistet, wenn an mehreren Tagen hintereinander im Winter keine Sonne scheint? - Wörtlich genommen: Indem man den Kaminofen nutzt. Hast Du wahrscheinlich auch schon erkannt, deshalb Deine nächste Frage.

Muss dann der Kaminofen (fast) jeden Tag brennen? – Nein, nicht jeden Tag, wenn man es so baut. Die Frequenz ist abhängig von Deinem Wärmespeicher (nutzbarer Wärmeinhalt), Deinem Verbrauch (so zusagen Wärmeentnahme), von der Qualität der Speicherdämmung und auch von dem Ladevermögen Deiner Anlage (sprich: wie schnell geht das denn?). Alles zusammen ist eher die Suche nach einem „vernünftiger (wirtschaftlichen) Kompromiss“. Spezialisten können das berechnen (dauert – kostet). Manche schätzen oder gurgeln.

Wie ist es nach einem Urlaub, wenn länger keiner mehr den Kaminofen befeuert und auch keine Sonne geschienen hat? – Logo, erst einmal ist alles kalt. Nächste Frage.

Braucht es dann lange, das Haus (inkl. Wasser) wieder auf „Wohlfühltemperatur“ zu bringen? - Das funktioniert (vor allem inkl. Wasser) je nach Kaminleistung und Speichergröße (aber auch Speicherqualität) halt schneller oder langsamer. Logisch.

Elektr. Heizstab – Wie oft ist/wäre das nötig? – Sooft Du halt in Urlaub fährst und bei Rückkehr Warmwasser vorfinden möchtest. Dann programmierst es und gut.

Wie oft und wie lange jeweils läuft bei Euch ggf. ein Elektroheizstab? – Das mögen andere schreiben. Es ist sehr speziell nach Anlage und „Nutzerverhalten“. Ich glaube kaum, dass Du treffende Vergleiche finden wirst. Wer seinen Kamin nicht anmacht (und Helios versagt) nutzt Strom.

Wieviel kWh Strom verbraucht er im Jahr? – Hat sich mit letzter Antwort erledigt.

An wie vielen Tagen etwa und wie lange jeweils am Tag brennt der Kaminofen im Winter? – Immer wenn sich der Wärmespeicherinhalt zum Ende neigt. Sonst Strom – teuer.

Wie lange benötigt der Kaminofen, um den Pufferspeicher von ca. 10°C auf 45°C zu erwärmen? – Jetzt wird es spannend. Wieso auf 45 °C? Hast Du Dich schon entschieden, was Du bauen möchtest? Besser 80 oder 90 °C. Wichtige System-Entscheidung. Auch in Abhängigkeit (bzw. mit Einfluss) der Wasserqualität zu bewerten.

Ist das „Wärmegefühl“ (Warmeabstrahlung) des Kaminofens mit dem eines Kaminofens in einem „normalen Haus“ mit normalen Kaminofen vergleichbar? – 100% ja – kein Unterschied. Der Wärmeübertrager (Wasserflasche [wer ist überhaupt auf das Wort gekommen?]) sitzt unsichtbar im Abgasteil des Kaminofens.

Oder strahlt der Kaminofen – weil wasserführend – nur noch sehr wenig Wärme ab? – Nein, er strahlt wie ein „Normaler“, siehe letzte Antwort.

Fraglos:

In einem Haus (Passiv oder nicht) ist der Kaminofen in erster Linie „SchickiMicki“. Ökonomisch nur mit Fantasie darstellbar. Selbst wenn das Holz umsonst ist, gibt es wirtschaftlich bessere Lösungen. Das sollte klar bzw. nicht vergessen sein.

Nun wenn schon, kann man sich auch die „Abwärme“-Technik gönnen und auf „die Spitze treiben“.

Oder, relative Vernunft walten lassen und die Anlage auf eine Frequenz von z.B. 3 Tagen dimensionieren. Entsprechend ergibt sich die Puffergröße, etc. siehe oben. Da in der Regel der Kamin (wg. Berufstätigkeit) eher abends genutzt wird (z.B. 19°° bis 23°° Uhr) sollte diese Zeit dann auch die Ladezeit des Speichers sein und reichen. Großer Speicher nutzt nichts, wenn er nicht geladen ist. Ladeleistung gleich Kamingröße und Qualität. Hier ist die Balance zu suchen.

Zu bevorzugen wäre ein Schichtenspeicher. Hier ein Beispiel-Schemata (mit der Fa. habe ich nichts zu schaffen – was aber nicht negativ gemeint ist). Systemwichtig hier, dass das Heizwasser gepuffert und nicht das warme Trinkwasser gespeichert wird. Stichwort „Frischwassermodul“.

http://www.roth-heizung.de/abc_bilder/schichtenspeicher1.jpg

Letztlich ist die Kombination mit Solarthermie sehr gut.

Bei den Speichern bzw. deren Technologie, Strategie (Management - Regelung) und der Qualität liegt die größte Herausforderung zu einer „guten“ Entscheidung.

Das Thema ist nicht trivial und m.E. nicht über Prospekte (als Anlage zum Angebot xy) befriedigend lösbar.

Macht Euch Gedanken wie viel Ihr max. investieren möchtet, dann googelt nach „HOAI“.

Hart aber herzlich - Gruß

Ach, das erste Fragezeichen:

ökonomisch? - Nein

alltagstauglich? - Ja

Ich baue in den letzten Jahren fast nur noch Passivhäuser und rate meinen Kunden eigentlich von Kaminofen/Kachelofen und generell festen Brennstoffen ab. 1. wird es im Zimmer sehr heiß und 2. hat man ein großes Problem mit der Dichtigkeit. Passivhäuser haben eine bestimmte Luftwechselrate. Wenn da ein Kamin (oder auch eine Dunstabzugshaube ins Freie) drin ist, erreicht man diese Dichtigkeit mit einer Blowerdoormessung eigentlich nicht.

Hallo pharao1961,

danke für die Antwort!

Was mich dabei aber verwirrt: Ich habe an anderer Stelle gehört, dass 1. die übermäßige Raumhitze bei einem wasserführenden Kaminofen kein Thema ist, da die Wassertaschen die meiste Wärme ableiten. 2. ein raumluftunabhängiger Kaminofen (externer Luftein und -auslass) keine bzw. keine nennenswerten Dichtigkeitsprobleme verursacht, d.h. ein Blower-Door-Test auch mit - ordentlich abgedichteten - Kaminofen bestanden werden kann.

Kurzum: Meine bisherige Recherche ergab, dass die Probleme "Überhitzung" und "Dichtigkeit" bei Wahl eines raumluftunabhängigen+wasserführenden Kaminofens zu vernachlässigen sind.

Stimmt das etwa nicht? Wenn nicht, warum?

MfG, M.

@Lausfrau

OK, wenn die Dichtigkeit bei raumluftunabhängigem Kaminen kein Thema ist (meist bieten die Ofenhersteller auch ihre eigenen Kamin an), dann kann man das schonmal abhaken.

Das die meiste Hitze in das Wasser führende System geleitet wird, ist zwar richtig, aber ich fürchte, dass bei einem Passivhaus die Restenergie für einen Raum immer noch zu hoch sein wird. Es wird ja nur minimalste Energie benötigt. Ich habe das in der Praxis aber noch nie ausgetestet, da auch mein Energieberater davon abgeraten hat.