Helfen schärfere Gebisse wirklich bei Durchgängern?

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Da kann ich nun gerne mal von meinem Pony erzählen. 

Ihn habe ich von Anfang an sehr lange Zeit mit Billy Allen Bit with Shanks geritten, auch im Gelände. An sich kein allzu scharfes Gebiss, kann aber beim "Durchgreifen" doch schon ordentlich weh tun. Ansonsten ein sehr feines Gebiss. 

Das nutze ich auch heute immer noch im Gelände - zeitweise in Kombination mit Kappzaum dann 4zügelig. Das waren aber die Zeiten, wo mein Pony auf dem Ausritt meinte, nach Hause sprinten zu müssen. 

Ja, verdammt, ich hatte da ein scharfes Gebiss drauf und ich hatte Angst! Aber ich habe konsequent an mir gearbeitet, Methoden gefunden, wodurch ich auch inzwischen immer noch am langen, durchhängenden Zügel im Schritt nach Hause reiten kann - vor etwa 3 Jahren undenkbar. 

Während dieses Prozesses wurde auch die Dressurarbeit immer besser, bis zum Ansatz von Viertel-Pirouetten im Galopp. Hui, der war durchtrainiert und durchlässig. Hat im Gelände aber nix gebracht, denn da war dann irgendwann das Hirn aus. 

Ich brauchte also tatsächlich irgendein Argument in der Hand, was mein Pony wieder zurück in die Realtität brachte - und wie gesagt, ich habe weiter an mir gearbeitet. Ein scharfes Gebiss war also nicht meine Lösung, sondern nur eine Krücke für meine Angst. Ja, ich fühle mich sicherer mit dem Billy Allen Bit. Ich habe zwischenzeitlich auch mal eine Springkandare drauf. 

Aber ich versuche auch immer mal wieder abzurüsten. So hatte ich ewige Zeiten immer eine Gerte mit, zum Bremsen. Also, vor den Kopf halten. Die brauche ich nicht mehr immer mit mir führen. 

Neulich war ich eine kleine Schrittrunde mit einer Stallkollegin sogar tatsächlich mit Schenkeltrense draußen - ganz ohne rennen! Für andere ist es der normale Alltag, für mich ein wahnsinniger Schritt. Und doch reite ich weiterhin mit Billy Allen Bit MIT Shanks aus, aus Sicherheitsgründen. Mein Pony erschreckt sich nicht, sondern kann u.U. kopflos werden mitten auf der Galoppstrecke. Da wir hier eine sehr schöne Galoppstrecke haben, die am Ende allerdings auf eine sehr stark befahrene Hauptstraße trifft, habe ich lieber ein Argument in der Hand, als das wir vor einem Auto landen. 

Was ich bei Durchgängern unheimlich wichtig finde ist, dass ein erfahrener Reiter drauf sitzt - und ja, das kann man Anfang auch erstmal mit einem schärferen Gebiss sein, aber nicht um Dauerzug damit zu haben, sondern um einmal das Pferd wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen. 

Und dann braucht man jemanden vom Boden, der das Pferd gut kennt und dir von unten erstmal helfen kann. Vielleicht einfach mal eine Reitstunde nach draußen verlegen und gezielt daran arbeiten - und vor allem an sich selbst. 

Wichtig ist aber auch, immer wieder abzurüsten. Wie gesagt, ich versuche es selber.

Ich gehe z.B. auch Speed Rodeos - aktuell noch mit Springkandare. Aber mein Ziel ist es dabei, mit Schenkeltrense zu reiten. Also auch hier rüste ich immer wieder ab. 

Also... EIn scharfes Gebiss stoppt keinen Durchgänger und ist auch nie die Lösung. Aber es kann bei einem erfahrenen Reiter, der damit wirklich umzugehen weiß, durchaus ein sinnvolles Hilfsmittel sein, damit es kein Durchgänger mehr ist. Das kann aber auch durchaus Jahre brauchen. 

Danke für deine offene und ehrliche Antwort! Ich bin kein Verfechter scharfer Gebisse, aber bei so manchem Pferd löst das doch einen Aha-Moment aus und kann helfen, das Verhaltensmuster zu durchbrechen. Allerdings verfallen manche Pferde dann auch erst recht in Panik, ist eben Pferde- und Situationsabhängig. 

Und dann ist da der Reiter, der verständlicher Weise Angst hat - wenn er sich mit einem schärferen Gebiss sicherer fühlt und es nicht mit brachialer Gewalt einsetzt, dann kann das eine gute Lösung für beide sein, wenn auch nicht auf Dauer.

Manches Mal erreicht man mit immer schärferer Zäumung sogar das Gegenteil. Meine Tochter ist dafür das beste Beispiel, sie ist Springreiterin. Als sie ihre Stute bekam, gab es unter anderem vom Verkäufer eine mündliche Gebrauchsanweisung, die beinhaltete, dass die Stute im Parcours nur mit scharf verschnalltem Pelham zu reiten und zu händeln sei. Es war klar, dass es sich nicht um einfaches Pferd handelte - aber wo die Liebe halt hinfällt..... Im Laufe des Zusammenwachsens stellte sich aber sehr bald heraus, dass die Stute immer zufriedener wurde, je mehr unsere Tochter abrüstete. Die beiden sind wirklich sehr erfolgreich unterwegs und das ganze mittlerweile mit einer recht schlabberig verschnallten Trense ohne Sperrriemen und mit einem ganz schlichten Gebiss. Die Stute ist zwar immer noch nicht lammfromm, wird sie auch nie werden, dafür ist sie viel zu ehrgeizig und dominant - aber sie ist wirklich deutlich zufriedener.

Ähnliches haben wir bei ihrem Nachwuchspferd beobachten können. Was bei diesem Pferd viel mehr als jedes brachiale Gebiss geholfen hat, war konsequente Dressurarbeit. 

Scharfe Gebisse sind relativ. Vor allem weil das, was gemeinhin als scharf empfunden wird, es in der richtigen Hand nicht unbedingt sein muss. Es kommt auch immer auf das Pferdemaul an und auf die Vorliebe, die das jeweilige Pferd hat. Ein ehemaliges Pferd von uns lief nur zufrieden mit dem dicksten Gebiss, was zu bekommen war, ein anderes fand seine Glückseligkeit, als wir endlich bei einer Nathestange gelandet waren.

Durchgänger sind unglaublich gefährlich, weil sie in dem Moment für ihre Reiter kaum bis gar nicht händelbar sind. Ein Extrem-Gebiss hilft dann mitunter auch nicht mehr. Wichtig ist, herauszufinden, warum ein Pferd durchgeht und welche Art von Durchgänge es ist. Daran kann man dann arbeiten:

http://herzenspferd.de/warum-geht-mein-pferd-durch/

http://www.equimondi.de/magazin/pferdetraining/ausbildungvonaz/239-durchgehende-pferde

http://www.barnboox.de/pferdewissen/ausbildung/problem-loesung/so-sollten-sie-reagieren-wenn-ihr-pferd-durchgeht/

Die Frage ist ja auch, was "scharf" ist ... für das eine Pferd ist diese Einwirkung unangenehmer, für das andere jene, das heißt, es scheitert schon alleine daran, was als scharf empfunden wird und was nicht. Und das Pferd wird uns das nicht im Katalog ankreuzen, was es wie empfindet.

Wenn ein Pferd wirklich durchgeht im echten Sinne, dann ist es auf Instinkt Flucht geschalten und höchst gefährlich. Wenn es so fokussiert wegrennt, kann es Straßenverkehr, Hindernisse oder auch ungünstige Bodenverhältnisse möglicherweise zu spät wahrnehmen. Klar gilt für das Fluchttier, dass es auf den Beinen bleiben sollte, weil sonst der Fressfeind ihm in den Nacken springen und es reißen wird, aber ob das das mit Reitergewicht und in unserer doch sehr bevölkerten und bebauten Welt immer schafft? Drauf verlassen würde ich mich nicht wollen.

Und so gilt es, es aus seinem Fluchtmodus zu bringen, zu ihm durchzudringen, ihm zu sagen, dass die Instinkthandlung nun zuende ist und der schlaue, es vor allem bewahrende Mensch nun wieder die Führung übernimmt.

So. Nun werden die meisten von uns mal satter rein greifen, als wir möchten, um unser Pferd auf feine Hilfen abzustimmen. Einfach, um mal zu Gehör zu kommen. Danach kann ja wieder anständig fein geritten werden. So weit so gut. Nur: Erwischen wir unser Pferd dabei sehr unglücklich, also so, dass es das als plötzliche Pein wahrnimmt, kann es uns passieren, dass wir damit gleich den nächsten Fluchtreflex auslösen, es vor dem Schmerz wegrennt. Dann haben wir wieder nichts gewonnen. Wer sich wirklich gut beherrschen kann, nicht mehr zuzugreifen als notwendig, der kann sich auch der Zäumung bedienen, die im Ernstfall von diesem Pferd als sehr unangenehm empfunden wird. Aber wer von uns kann von sich wirklich sagen, dass er in dem Adrenalinschub, in den es uns versetzt und unter der körperlichen Anspannung, in die wir geraten, wenn wir sowas aussitzen wollen, absolut fein dosieren kann, wie fest er zugreift? Wenn wir ehrlich sind, vermutlich die wenigsten. Da wäre es dann praktischer, eine Zäumung zu nutzen, die nicht als gar so eklig empfunden wird, dass wir gleich das nächste Problem produzieren.

Uns Reitern reicht es doch oft schon, lernen zu müssen, dass wir nach jedem scharf parierenden Eingreifen wieder nachgeben müssen, selbst, wenn das Pferd noch in keiner Weise reagiert hat, schon alleine, um nochmal durchzukommen. Bauen wir Druck einmalig auf und geben nie nach, können wir auch keinen erneuten Reiz mehr setzen. Wir müssen zum einen relativ schnell durchkommen, damit die Gefahr schnell gebannt ist und zum anderen müssen wir überzeugend, aber nicht peinigend durchkommen, um beim nächsten Mal vom Pferd wieder die Chance zu bekommen, dass wir die Führung wieder übernehmen dürfen, möglichst schon nach den ersten Galoppsprüngen, irgendwann schon nach dem ersten Zucken, noch vor dem Wegrennen.

Scharfe Gebisse sind nicht meine Richtung ich würde vom Boden anfangen und wenn du der Boss auf dem Boden würde ich es auf dem Pferd mit einem normalen Wassergebiss einfach gebrochen probieren. Meine Pferde gehen hauptsächlich gebisslos und mit Halsring daher sie nur härter werden durch scharfe Gebisse ;)

LG Alma :)

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Es kommt immer auf das Pferd an. Mein Vollblut Araber ist mir immer im Wald durchgegangen, er war kaum anzuhalten erst nach einigen Minuten, mit vielen Paraden konnte ich ihn schließlich anhalten jedes Mal war es so.. Wir kauften eine Kandarre in der Hoffnung das dies helfen wird. Und auch da konnte man ihn nur mit extremer Kraft und viel Durchsetzungsvermögen anhalten. Nur ein guter Freund von mir hat es immer wieder geschafft ihn ohne Probleme im Wald zu halten mit und/oder ohne Kandarre. Wir haben unseren Stall wechseln müssen (aus privaten Gründen) und siehe da , er läuft wie das bravste schulpferd im Gelände Garkeine Schwierigkeiten. Sogar 12/13 jährige halten ihn ohne Probleme. Also meiner Meinung nach kann man es mal versuchen. Falls man aber sieht das dies nichts ändert oder sogar schlimmer wird sofort raus damit!
Klar, in manchen Fällen klappt das ganze auch super gut! Und mit dem neuen Gebiss geht das ehemalige problempferd wie ein Engel. Aber viele Pferde kämpfen dann gegen diesen Druck an. Man kann es mal mit Paraden versuchen , und man muss ruhig bleiben. Ich weis ich konnte dir wahrscheinlich nicht besonders helfen aber das ist meine Erfahrung :)
Schönen Nachmittag noch