Entscheidung nach Folgen/ Pflichtenethik?
Mein Gedankenexperiment ist die Frage, ob man gesundheits- oder lebensbedrohliche Versuche zum Zwecke der Forschung an nicht entscheidungsfähigen Demenzerkrankten durchführen darf oder nicht. Wie sähen die Entscheidungen denn jeweils bei der Folgen- und der Pflichtenethik aus? Danke für eure Hilfe!
2 Antworten
Demente leiden auch so schon oft genug in den Momenten wo ihnen ihre Demenz bewußt wird.
Da muss man nicht noch irgenwelche Experimente mit ihnen machen die sie noch mehr leiden lassen.
Und das Argument, dass sie die Experimente ja nicht wahrnehmen würden lasse ich nicht gelten. Demenzkranke reagieren auch bei fortgeschrittener Erkrankung immer noch auf ihre Umwelt und können vielleicht nur nicht kommunizieren, dass sie die Experimente und ihre Folgen nicht wollen.
Bei der Folgenethik geht es um das Glück (um das Wohlergehen, um den Nutzen) einer möglichst großen Menschenmenge. Wenn die Forschung zum Glück (zur Gesundheit, zum Wohlergehen) der Mehrheit der Menschen beiträgt, dann sind leider alle Versuche (nicht nur Versuche an Demenzkranken) zulässig. Die Gesundheit der Mehrheit ist wichtiger als die der Minderheit. Es gibt auch Utilitarismus - Versionen, die weniger minderheitenfeindlich sind. Glücksgierige und nutzengierige Menschen stellen bösartige Kosten- Nutzenrechnungen auf.
Bei der Pflichtethik geht es um die Beschaffenheit der Absichten. Jeder soll nach Regeln handeln, nach denen alle Anderen auch handeln sollten. Alle sollten die Regel "Du sollst nicht töten!" befolgen. Wenn alle die Regel "Du darfst töten" befolgen müssten, dann gebe es keine Menschheit, keine Lebewesen mehr. Wenn die Regel "die Schwächeren, die Dümmeren darf man töten" für alle gelten würde, dann würde am Ende nur der stärkste Mensch übrigbleiben. Er könnte sich alleine nicht vermehren. Auch er würde aussterben.
Das heißt, die Pflichtethik ist eher folgenbedacht (wohlwollender folgenbedacht), als die Folgenethik. Pflichten richten sich nach der Qualität der Folgen. Die sogenannte Folgenethik (auch Nutzenethik genannt) richtet sich nach dem Glück, nach dem Nutzen, nach dem Wohlergehen der Mehrheit. Die Pflichtethik richtet sich (etwas mehr) nach dem Wohlergehen aller.
Auch die Pflichtethik liefert in der Praxis keine guten Ergebnisse. Die Regeln, die instinktgesteuerte Menschen aufstellen, sind doch nicht gründlich genug und wohlwollend genug auf Folgen bedacht. In einigen wenigen Notwehrsituationen (wenn man den Angreifer nicht anders stoppen kann) sollte man doch töten. Instinktgesteuerte Menschen möchten nach dem Recht des Stärkeren leben. Sie Fühlen, alle sollten nach dem Recht des Stärkeren leben, damit die Menschheit immer kampfstärker wird. Auch Demenzkranke sollen zur Kampfstärkemaximierung beitragen, indem sie sich zu Versuchszwecken aufopfern. Kant wollte die Gefühle (und die Triebe) entmachten. Seine Pflichtethik ist in der Praxis doch gefühlgesteuert (doch triebgesteuert). Sein kategorischer Imperativ ("Handle nach der Regel, von der du wollen kannst, dass sie ein weltweites Gesetz wird!") erlaubt die Erschaffung von bösartigen Regeln. Das Notwendige (das Gute) zu tun, ist viel wichtiger als das, was böswillige Menschen wollen.
Weder Pflichtethik, noch Folgenethik funktionieren gutartig. Beide sind mehrdeutig. Beide entmachten die Instinkte nicht. Beide sind nicht gut genug, um das tägliche Verbrechen zu beenden, und die Weltzerstörung zu verhindern. 4 Milliarden Jahre Überlebenskrieg hat alle Genome siegesgierig werden lassen. Die Lowtech-Siegerei überleben Viele, die Hightech-Siegerei wird aber niemand überleben.
Mann sollte instinktgesteuerten Menschen nicht ermöglichen, Regeln aufzustellen, Pflichten aufzubürden. Die meisten instinktgesteuerten Gesetze sind schwachenfeindlich und siegbringend. Instinktgesteuerte Menschen sind nicht gewillt, gutartige (nicht siegbringende) Kosten- Nutzenrechnungen aufzustellen. Tierversuche und Versuche an behinderten Menschen werden zum Nutzen der Stärkeren, zum Nutzen des Landes, zum Nutzen der Gattung, ...... durchgeführt. Aber zum Schaden der Versuchsopfer.
Möglichst gutes und gleich gut leben für alle herbeizuführen, ist das beste Interesse, das beste Ziel. Wer möglichst gutes und gleich gutes Leben für alle anstrebt, bessert sich moralisch, und kommt gar nicht auf die Idee, gesundheitsgefährdende und lebensbedrohliche Experimente gutzuheißen. Gutwillige Menschen wissen, dass kein Tier und kein Mensch für die Gesundheit der Anderen sterben muss. Nur Menschen, die wissen was sie tun, und jederzeit aus dem Experiment aussteigen können, dürfen an Versuchen teilnehmen. Die Versuche müssen extrem vorsichtig durchgeführt werden. Jedes Geschöpf hat das gleiche Recht auf Unversehrtheit und auf Leben. Es gibt keine hochwertigen und minderwertigen Lebewesen.